Jan 04 2014

Katrstrophe in Litomysl - das Letzte

Veröffentlicht von Fabian um 23:29 unter Turniere

Man muss es entweder verschweigen oder aber, leider, ausführlich und vernichtend besprechen.

Jörg Seidel in meiner absoluten Lieblingsrezension

 

Mein schachliches Schaffen in Litomysl war ja nicht unbedingt das, was man als “von Erfolg gekrönt” bezeichnen würde. Trotz oder gerade wegen mancher Peinlichkeit zeige ich ein paar, äh, Glanzlichter. Als erstes Appetitäffchen meine Letztrundenpartie gegen den zwölfjährigen FM Viktor Gazik. Er war mit Vater und Schwester vor Ort, und zwei Tage vor der Partie beim Silvesterblitz konnte ich ihn noch überzeugend schlagen, obwohl unsere Alkoholspiegel sich zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich zu meinen Ungunsten unterschieden haben dürften. In der letzten Runde des sowieso schon verkorksten Opens hatte ich Lust auf eine scharfe “Alles-oder-Nichts”-Partie und begab mich mit Weiß zu zuletzt wiederholtem Male auf 1.e4-Gebiet.

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11…h5 “For enterprising spirits only”, sagt Jesus de la Villa zu dieser Herangehensweise. Schwarz verhindert zunächst den weißen Bauernvormarsch am Königsflügel und geht den theorielastigen Varianten aus dem Weg. Sein König bleibt aber in der Mitte (was Weiß zu Aktionen wie f4-e5 einlädt) und der Turm h8 nimmt erstmal nicht am Spiel teil. Wenn es natürlich dumm läuft, rochiert Schwarz im richtigen Augenblick, und Weiß hat gar nischt. 12.h3 Mit dem Plan f3-f4. [12.Kb1 Sc4 13.Lxc4 Txc4 14.Sde2 ist nachhaltiger, wie man in der Partie auch sehen wird. ] 12…Sc4 13.Lxc4 Txc4 14.Sb3 Seltsamer, freiwillig dezentralisierender Zug. [Letzte Chance zu 14.Kb1 ; Ursprünglich beabsichtigt hatte ich 14.f4 , aber dann sah ich verlockende Ideen. Mit ein wenig mehr Erfahrung in diesen Stellungstypen hätte ich vielleicht zumindest gefühlt, dass die schwarze Stellung sich so aber nicht knacken lässt. Nach der Räumung der d-Linie gibt es taktische e5-Ideen in Verbindung mit Lg5 und/oder Sc5, aber…] 14…a5 15.e5 Diagramm

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15…dxe5 16.Sd5 [16.Sc5!?] 16…Sxd5 17.Dxd5 Dc7 [Ich hatte 17…Dc8 18.Sc5 Le6 19.Sxe6 fxe6 20.Dd3 erwartet, womit ich mich durchaus wohlgefühlt hätte.] 18.Sc5 Diagramm

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18…Lh6! Völlig übersehen. Jetzt muss ich mich schon anstrengen, um nicht schlechter zu stehen. 19.Sxd7 [19.Dxc4 Lxe3+ 20.Kb1 und c5 hängt auch.] 19…Lxe3+ [19…Txc2+ 20.Kb1 Lxe3 21.Db5] 20.Kb1 Ld4 Der kleine Rechenteufel liegt wieder richtig. [20…Td4 21.Dxe5 Dxe5 22.Sxe5 ist ok für Weiß.; 20…Txc2? 21.Db5!] 21.c3 Dc6 Diagramm

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22.Dxa5 Die Doppelturmendspiele machen keinen Spaß. [22.Dxc6 Txc6 23.The1 (23.cxd4 Kxd7 24.dxe5+ Ke6) 23…Kxd7 24.Txe5 Td6 25.cxd4 b6] 22…Dxd7 23.cxd4 Df5+ 24.Ka1 exd4 25.Da8+ Tc8 26.Da4+ [26.Dxb7 0–0 27.Dxe7 Tfe8 28.Db4 d3] 26…b5 27.Dxd4 0–0 Diagramm

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Letztendlich hat Schwarz sein strategisches Ziel erreicht: Der König ist aus der Mitte raus, der Turm h8 spielt mit, und mein König ist unsicherer als seiner. Das wollte ich ändern und spielte 28.g4 Der Rest ist vom 30–Sekunden-Modus geprägt, sonst hätte Viktor garantiert auch hier die genaueren Züge gefunden. Er kam jedenfalls deutlich besser als ich mit der Zeitknappheit zurecht und blieb jederzeit absolut cool und fokussiert, was mir echten Respekt abnötigt (was er umgekehrt von meinem kommenden Ausraster wohl nicht gerade sagen würde, wie auch seine Miene gegen Partieende ausdrückte :). 28…Dxf3 29.Tdf1 De2 [29…Tcd8 30.Db4 Dd5] 30.Te1 Dc4 [30…e5] 31.Dxc4 Txc4 32.gxh5 Tfc8 33.Thg1 T8c6 34.Kb1 Kf8 35.Te5 b4 36.Teg5 Kg7 37.hxg6 fxg6 38.T5g4? e5 39.b3? Tf4 40.Tc1?? Txc1+ 41.Kxc1 Txg4 0–1

Der Tragödie zweiter Teil

 

Das Turnier hatte bereits in Runde zwei einen schlechten Verlauf genommen, als ich das erste, aber nicht das letzte Mal gegen einen Jugendlichen gelost wurde, dessen Elo-Zahl nicht ganz mit seinen schachlichen Fähigkeiten hatte Schritt halten können.

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Müller-Dowgird nach 32…Kg8-g7

Der Moment, auf den Jü in einem Kommentar abhob, weshalb ich nochmal drauf eingehe. Ich hatte vorher gesehen, dass ich hier auf jeden Fall Remis durch Zugwiederholung sicher habe. 33.h5? [33.Sf5+ Kh7 34.Se7 Sd8?! bringt Schwarz natürlich nichts.] 33…g4 Den sah ich erst ,als ich h5 gezogen hatte. Die Stellung ist jetzt sehr unangenehm, weil Schwarz die Mattidee Sd4-f3-Td1–e1/g1 hat. [33…Sd4 34.Sf5+ Sxf5 35.Txf5 Diagramm

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war meine Idee gewesen, hier kann man mit der festgelegten Schwäche h6 noch was versuchen, wobei Schwarz mit seinem aktiven Turm nach wie vor keine Probleme hat.] 34.Tc3 [34.Sf5+ Kf6 35.Sd6+ gxf3 36.Se4+ Kf5 37.Sxd2 Kg4 38.Sc4 f6(38…Kxh5 39.Se5=)] Diagramm

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berechnete ich als möglichen Notausgang, bewertete aber diese Stellung als verloren für Weiß. Ob ich richtig lag, weiß ich noch nicht :). 34…Kf6 35.Sg8+ Kg5 36.f4+ gxf3 37.Txf3 f5 38.b4 c4 39.Tc3 Sg7 40.Txc4 Sxh5 41.g4? [41.Tc3] 41…Sg3+ 42.Ke1 Te2+ 43.Kd1 f4 44.Tc5+ Kxg4 45.Sxh6+ Kh3 46.Sf7 Ta2 47.Sg5+ Kg4 48.Ta5 Sf5 49.Sf7 Se3+ 50.Kc1 Tc2+ 51.Kb1 Tc7 52.Se5+ Kg3 53.Ta6 Tg7 54.Tf6 Sg4 55.Sxg4 Txg4 56.Kc2 f3 57.Kd2 Kf2 58.Tf7 Td4+ 59.Kc3 Te4 60.b5 Ke2 61.Txa7 f2 62.Tf7 Te3+ 63.Kc2 Txa3 64.b6 Te3 65.b7 Te8 66.Te7+ Txe7 67.b8D f1D 68.Db5+ Kf2 0–1

In der dritten Runde bewahrheiteten sich zwei Weisheiten, die nicht viel miteinander zu tun haben. Zum Einen: Die Welt ist ein Dorf - mein Gegner war im Sommer in einem polnischen Schachcamp der Trainer des Peiner Jugendlichen Artur Kück - und zum Anderen: Wenn`s nicht läuft, dann läuft`s nicht. Ich musste all mein Turnierglück bereits in dieser Partie aufbrauchen…

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Czyz-Müller nach 12.Le2-f3

Bis hierher alles mehr oder weniger automatisch abgespult. Bei meiner Entscheidung, nun 12…b4?? zu spielen, hatte ich 13.e5 wirklich gesehen oder vielleicht eher erinnert. Meine Beschäftigung mit den kommenden Problemen gingen aber nicht über “wird schon gehen” hinaus, der Doppelrundenstart um 10 Uhr war vielleicht zu früh… 13…bxc3 14.exf6 Auf b2 zu nehmen war hier mein letzter Kandidat, aber es geht nicht anders, weil sonst nach Dxc3 immer f6 schlecht zu decken ist. c3 oder f6 irgendwie sinnvoll opfern zu können sah ich keine Möglichkeit. 14…cxb2 15.Lxb2 g6 Ebenfalls konkurrenzlos. 16.Le5 Diagramm Schwarz ist in einer strategisch gelinde gesagt fragwürdigen Stellung gelandet. Rochiert er kurz, wird er matt gesetzt. Rochiert er nicht kurz, gewinnt Weiß mit seinem Mehrturm am Damenflügel. Auf eventuelle Fragen nach der langen Rochade würde ich antworten, dass ich mich alleine verscheissern kann ;).

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16…Dc8 [16…d6 17.Lxd6 Lxd6 18.Lxb7 Tb8 war objektiv wohl noch die beste Möglichkeit, was Einiges über meine Stellung aussagt. ] 17.Tab1 Lxf3 18.Txf3 0–0 Die Rochade kostete mich einige Überwindung, und zu Recht, denn halten sollte das nicht. Ohne den Turm h8 geht es aber nun mal auch nicht, und ich sah in meiner Hauptvariante keinen klaren Gewinn für Weiß. Die Hälfte der wesentlichen Züge waren natürlich nicht Teil meiner Hauptvariante. 19.Th3 [19.f5 exf5 20.Dd2 Te8] Diagramm

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Wie erwartet. Gegen die Drohungen Txh7-Dh3-Dh6-Dg7 matt oder Th6-Dh3-Txh7-Th8 matt oder f4-f5-Dd2-Dh6 funktioniert nur ein Turmzug. 19…Td8?? Geil, in einer absolut konkreten Stellung zieht man mal eben aus allgemeinen Erwägungen. d7 gedeckt, super, Feld e8 frei, falls der König mal über e8-d7 rauslaufen muss, super. Wenn Weiß richtig spielt, ist Schwarz jetzt aber matt. [19…Te8! 20.f5 (20.Th6 Lf8 21.Dh3 Dxc2 22.Tg1 Df5; 20.Dg3 Lf8 21.Dh4 h6 22.Tc3 Dd8 23.Lc7 Dc8) 20…exf5 und e5 hängt auch.] 20.Dg3? Verfolgt eine richtige Idee (die mir völlig entgangen war), ist aber bei weitem nicht der stärkste Zug. [20.f5 exf5 21.Dd2 Lf8 22.Tc3+-] 20…Lf8 21.Dh4 Diagramm

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Erst hier nahm ich war, dass Weiß neben dem Matt auf h7 auch Tc3 mit Damenfang droht. Immerhin erleichterte das die Wahl zwischen …h6 und …h5. 21…h5 22.Tc3 Lc5 Hier entschloss sich mein Gegner, die Dame zu nehmen. Andere Fortsetzungen sind zwar verlockend, gewinnen aber laut Engine auch nicht forciert. 23.Ld6 [23.Dg5 Dc6] 23…Lxd6 24.Txc8 Taxc8 Diagramm

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Immerhin, es lebt. 25.g4? Weiter geht`s im fröhlichen Fehlerrhythmus. Offenbar waren sowohl mein Gegner als auch ich völlig auf die kommenden Züge fixiert. 25…Lxf4? [25…hxg4! 26.Dxg4 Txc2] 26.gxh5? [26.Tf1!] 26…g5 27.Tg1 Kh7 28.Dh3 Tc5 29.Dd3+ Tf5 30.Da3 Diagramm

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Der Trend ging mittlerweile in Richtung Schwarz, aber hier war noch eine Chance, es einzügig zu verbocken. 30…d6 [30…Te8?? 31.De7; 30…Txf6?? 31.De7] 31.Dxa6 Txf6 32.Db7 Kg7 33.a4 [33.h4 Th8 34.Df3 Tf5] 33…Tf5 34.h6+ Kg6 Diagramm

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Die schwarzen Figuren haben alle stabile Stützpunkte, und alle weißen Bauern sowie der weiße König neigen zur Schwäche. Weiß hatte hier die letzte Chance, seine Figuren zu koordinieren, ging aber an ihr vorbei. 35.Ta1? [35.h4 Th8 36.hxg5 Lxg5 37.Tg3 Txh6+ 38.Kg2] 35…Le5 36.Tb1 d5 37.De7 Th8 38.Kg2 Txh6 39.Th1 Th4 40.h3 Txa4 41.Tf1 Txf1 42.Kxf1 Tf4+ 43.Kg2 Tc4 44.Dd8 Txc2+ 45.Kf3 Tc3+ 46.Kg2 Tg3+ 47.Kh2 Tb3+ 48.Kh1 Txh3+ 49.Kg2 Th2+ 50.Kf3 Tb2 51.Dg8+ Lg7 52.Da8 Tb4 53.Dc6 Tc4 54.Db5 g4+ 55.Kg2 Le5 56.De8 Tc2+ 57.Kh1 Th2+ 58.Kg1 g3 59.Dg8+ Lg7 60.Kf1 Th8 0-1 Diagramm

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Duplizität der Ereignisse (siehe 21.-22. Zug). Von der schachlichen Qualität her keine denkwürdige Gewinnpartie, aber es wurde nicht besser…

Dritte Wahl zum Abschluss

 
Zu guter Letzt noch der kurze Blick auf zwei halbe Punkte, die dem Verlauf nach zwar näher am Sieg, von mir aber dennoch eher als Verlust verbucht wurden.

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Mueller-Cip nach 37…Lf6-e5

Siebte Runde und die letzte Chance, durch eine Siegesserie das Turnier zu retten. Es lief auch ganz gut, bis ich mal wieder eine gegnerische Ressource übersah und die bis dahin klar bessere Stellung mehr und mehr kippte, bis sie hier ankam.
38.c5?? Natürlich ein Katastrophenzug, aber bei der Alternative [38.Lxg5 sah ich ganz viele Gespenster. 38…Tg8 39.Td2 (39.Lxh4 Tgxg2 40.Lg3 f4 ist bspw. nicht das was einen begeistert, wenn man die gesamte Partie über eigentlich klar besser stand und der Trend plötzlich nur noch in die falsche Richtung läuft.) 39…Ta3 40.Lxh4 Txb3+ 41.Kf2 Tg4 gefiel mir auch überhaupt nicht, obwohl das natürlich viel besser ist als der Text.] 38…g4+ 39.Ke2 Lxh2 40.Th6 Lf4 41.Txh4 Lxd2 42.Txd2 Txd2+ 43.Kxd2 dxc5 44.Th7+ Kf6 45.Txb7 Txd5+ 46.Ke3 Td4 Diagramm

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Der Übergang in ein bekanntlich stets remises Turmendspiel war für Schwarz natürlich nicht erzwungen, zum Sieg reichen sollte es aber doch. Nicht überraschend zeigt mein Gegner nun aber technische Schwächen - er war eher ein Zocker als ein Filigrantechniker. 47.Tc7 f4+ 48.Ke2 Td5 49.Tc8 Diagramm

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49…Te5+? Wenn es der schwarze König nach g3 schafft, kann Weiß aufgeben. [Naheliegend war daher 49…Kg5 50.Th8 (was sonst?) 50…Te5+ 51.Kf1 Te3–+] 50.Kf2 Kf5 51.Tf8+ Ke4 [51…Kg5 52.Tg8+ Kh4 53.Th8+ bringt nichts mehr, g3 ist gedeckt.] 52.Tf7 Diagramm

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52…g3+? Wahrscheinlich der Remiszug. [52…Te6 53.Tf8 Ta6 54.Te8+ Kd3 hätte immer noch locker gewonnen.] 53.Ke2 Tf5 54.Td7 Te5 55.Tf7 Tf5 56.Td7 Td5 57.Tf7 Te5 58.Tf8 Tf5 59.Td8 ½–½

Die vorletzte Episode des Turniers war dann so schlecht, dass sie fast schon wieder komisch war. Da mein Gegner gegen Caro-Kann in der Vergangenheit stets eine eher minderwertige Variante, gespielt hatte, spielte ich, wenn ich mich recht erinnere, das zweite Mal in meinem Leben 1…c6 auf 1.e4. Die Grotte, die dabei rauskam, verlangt danach, das Brett zu drehen:

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Seidl-Mueller nach 5…e7-e6

6.d4 Ein interessantes Bauernopfer.Dagegen hatte ich eigentlich auch einen Plan, den ich aber leider wieder vergessen hatte. Immerhin kann ich mich damit rausreden, dass diese Partie an Neujahr gespielt wurde. 6…Sf6 [6…dxe4 7.Sxe4 Dxd4 mit Entwicklungsvorsprung für Weiß, aber ich schätze, den Bauern sollte man dennoch nehmen.] 7.Ld3 Lb4 Das war jedenfallls nicht mein ursprünglicher Plan, und soviel wusste ich auch während der Partie :). 8.e5 Sfd7 9.Dg4 Häufiger wird 9.Dg3 gespielt, aber da ich diese Variante nicht zu wiederholen gedenke ist das auch egal. 9…Lf8 [Da ich wohl sowieso nicht ohne …g6 aus komme, hätte ich so gleich spielen können. Ich wollte aber 9…g6 10.Lh6 nicht zulassen.] 10.f4? Diagramm

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Weiß sollte sich für meinen Geschmack lieber darüber freuen, ohne diesen Zug auskommen zu können. Der Bauer f4 ist (wenn er es nicht nach f5 schafft) ein Ärgernis für den Läufer c1 und den Sc3, der gelegentlich über e2-f4 den Druck am Königsflügel hätte erhöhen können. 10…g6 11.0–0 h5?? Ein wirklich komplett schwachsinniger Zug. Hatte ich erwähnt, dass die Partie an Neujahr gespielt wurde? Das ist rückblickend für mich die einzige Erklärung für diesen komplett schwachsinnigen Zug. 12.Dg3 Meine alten Engines auf meinen alten Rechnern beurteilen 11…h5 gar nicht so harsch, aber das liegt daran, dass sie erst nicht peilen, dass Weiß vernichtend 13.Lxg6 droht. 12…De7 [Auf z.B. 12…Db6 folgt 13.Lxg6 Dxd4+ 14.Kh1 fxg6 15.Dxg6+ Kd8 16.f5 mit Verluststellung für Schwarz] 13.a4 Das Ausmaß von 11…h5 wird langsam deutlich. Gegen das Opfer auf g6 musste ich die Dame deplatzieren. Weiß plant b3-La3. 13…Sb6? [13…c5? 14.Sb5; 13…a6 14.b3 c5 hatte ich eigentlich geplant, dann aber ohne konkrete Berechnung wegen f4-f5-Ideen verworfen. Sollte die f-Linie jemals aufgehen, wäre das meistens wirklich das Ende für Schwarz, zunächst hätte Weiß sich aber mal um d4 kümmern müssen. 15.La3 Sc6 16.dxc5 (16.f5? gxf5 17.Lxf5 Sxd4–+ (17…exf5? 18.Sxd5 Sxd4 19.Tae1+-) ) 16…Sxc5 17.f5!? gxf5 18.Lxf5 exf5 19.Sxd5 Se4! 20.Df4 mit Kompensation für die Figur.] 14.a5 Sc8 15.b4 Diagramm

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Das Ende vom Lied: eine dermaßen passive Stellung, dass es fast schon wieder lustig ist. Ich schaffe es immerhin, einen Springer nach f5 zu bringen und damit weiße Durchbruchsideen am Königsflügel zu entschärfen, dabei geht aber die b-Linie auf. 15…Dd7 [An 15…Dxb4 dachte ich nur eine Sekunde lang.] 16.Sa4 Se7 17.Sc5 Sf5 18.Df2 Lxc5 19.bxc5 h4 20.Ld2 Diagramm

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Natürlich nach wie vor eine strategische Verluststellung, die mein Gegner aber nicht verwertete, weil er sich trotz guter Gelegenheiten nie dazu durchringen konnte, auf b7 zwei Türme für meine Dame zu geben. 20…a6 21.Tfb1 Dc7 22.Tb3 Sd7 23.Tab1 0–0–0 24.Df1 Sb8 25.Tb4 Sg3 26.Dc1 Td7 27.Le1 Sf5 28.Lf2 Th7 29.Tb6 f6 30.De1 fxe5 31.dxe5 Dd8 32.Df1 Tc7 33.c3 De7 34.De1 Tf7 35.T6b4 Df8 36.Kh2 Dh6 37.Lxf5 Txf5 38.Lxh4 Txf4 39.Dg3 Tf5 40.Tg4 Tg7 41.Lf6 Tg8 42.Tgb4 Dh7 43.Th4 Th5 44.Dg4 Df7 45.c4 Txh4 46.Dxh4 g5 47.Dg4 dxc4 48.Dxc4 g4 49.Tb3 Sd7 50.Tg3 gxh3 51.Txg8+ Dxg8 52.gxh3 Df7 53.Dh4 Df8 54.Le7 Dg7 55.Lf6 Dg8 56.Dd4 Dg6 57.h4 Df5 58.Kg3 Dg6+ 59.Kh3 Dh5 60.Kg3 Df5 61.Dg4 Dd3+ 62.Df3 Dg6+ 63.Dg4 Dd3+ 64.Kh2 Dd2+ 65.Dg2 Df4+ 66.Dg3 Dd2+ 67.Dg2 Df4+ 68.Dg3 ½–½

Gegen diese Partie war die letzte Runde gegen Viktor durchaus schon wieder eine Steigerung.

Immerhin kann ich mich damit trösten, dass mein winterlicher Abstecher nach Tschechien zwar schachlich für die Katz, ansonsten aber durchaus interessant war. Einige Bilder, um das zu unterstreichen, zunächst vom letzten Turniertag und einem Abstecher nach Svitavy (dt. Zwittau):

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Hier (wie übrigens auch weiter unten bei der Aufnahme des Marktplatzes Hradec Kraloves) hatte ich die obligatorische Pestsäule im Rücken. Wenn man eine gesehen hat, hat man annähernd alle gesehen.
Anders als an anderer Stelle geschrieben ist Svitavy, nicht Brenec (dt. Brünnlitz), der Geburtsort Oskar Schindlers (in Brenec war lediglich der Standort seiner Fabrik gegen Kriegsende,von der leider nichts mehr erhalten ist). Wir schafften es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit zum Schindler-Denkmal:

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Am Abreisetag machten wir dann noch einen kurzen Schlenker über das geschichtsschwangere Hradec Kralove (dt. Königgrätz):

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Wieder ein Marktplatz, links das Wahrzeichen der Stadt, die Kathedrale des Heiligen Geistes.

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Hier von der Eingangsseite, das Areal vor dem Eingang ist nach Papst Johannes Paul II benannt, denn…

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…erst war der Papst hier, dann ich. Meine Tafel wird noch geliefert ;).

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Im Innern des Doms…

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…finden sich, wie überall in dieser Gegend, Bezüge zur Deutschen bzw. Österreich-Ungarischen Vergangenheit. Hier eine Gedenktafel für im deutschen Krieg 1866 Gefallene.

3 Kommentare to “Katrstrophe in Litomysl - das Letzte”

  1. André Zeltwangeram 05 Jan 2014 um 09:54

    Ich hoffe mal, dass der Alkoholspiegel von Viktor bei 0,00 lag.

  2. Matiasam 07 Jan 2014 um 20:59

    Danke für dem Hinweis auf die Rezension vom Münzert! Ist mir sowas von der Seele geschrieben, eins der, oder vielleicht das schwachsinnigste Buch mit Schach ( Schachbuch wäre geprahlt) überhaupt!

  3. Fabianam 08 Jan 2014 um 00:22

    Und ich habe das Buch erstmals als ahnungsloser Jugendlicher gelesen. Jahrelang dachte ich, es läge an mir, dass ich nichts mit diesem “absoluten Standardwerk” anfangen konnte :(

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