Okt 06 2019

Meine Unsterbliche Teil 2

Veröffentlicht von David Riemay um 21:57 unter Allgemein

Und nun kommen wir zum taktisch wirklich spannenden Teil!

Auch hier gilt: Diese Partie habe ich bewusst nicht mit einem Computer analysiert, da sie meinem Gefühl nach viel vom Zauber nehmen würde. Daher beruht jede Einschätzung, jedes ! und jedes !! rein auf meiner persönlichen Analyse.

Zurück zur Partie nach 40….De6 von Schwarz

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Was fällt sofort ins Auge? Sc5! Mir war eigentlich sofort klar, dass Schwarz die Dame geben wird.

Analyse von mir am Brett: 41. Sc5 TxTc7! 42.SxDe6 Tc1+ 43. Kg2 LxSe6 und Schwarz hat zwar nur Turm und Springer für die Dame, aber gewaltige Initiative und einen Mattangriff. Sf4+ ist nicht mehr zu verhindern und es wird schon eng für den König. Das kann nicht die Lösung sein, auch wenn es möglicherweise laut Computer gewinnen wird.

Daher arbeitete ich wie öfters in Partien mit folgender Frage: Welche Figur von mir steht schlecht? Der Lb1! Daraus ergab sich sofort die Idee

41. La2! Dort steht der Läufer sehr gut und der Druck gegen f7 wird Schwarz noch große Probleme bereiten.

41….Dh3

Leider ist mein König sehr schwach, so dass ich ständig aufpassen muss auf Df1# (Alles eine langfristige aber logische Folge von dem exf3 und gxf3 aus dem Mittelspiel vor langer Zeit). Auch hier stellt ich mir wieder die Frage: Welche Figure könnte ich noch verbessern? Den Sa5! Er hat seine Schuldigkeit mit vielen Drohungen getan, doch irgendwann wird er auf a5 schlecht stehen. Daher:

42. Sc6

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Es droht Se7+, daher sah ich in der Partie und auch in der Analyse wenig andere Möglichkeiten für Schwarz als das in der Partie gespielte

42….TxTc7 43. dxTc7

Was für eine Karriere des Bauern, ab hier war mir klar: Alles auf Umwandlung setzen, egal mit welchen taktischen Mitteln

43….Lc8

Wahrscheinlich das beste, damit ist mein Umwandlungsplan erstmal in weiter Ferne

44. Sd8!? Te7

Was sonst, deckt f7 und greift c7 an

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Und hier kommt nun der für mich entscheidene Moment der Partie. Natürlich hatte ich Sd8 nicht ohne Grund gezogen, mein eigentlicher Plan war Txg6

Allerdings wird das ganze etwas kompliziert (Eigene Analyse am Brett): 45. Txg6 Txc7 46. Sxe5 Tc1 47. Tg1 TxTg1 48 Kxg1

Danach gewinne ich wahrscheinlich noch den f7 (Zu Oft angegriffen), allerdings wird die Stellung komplett offen und das schwarze Läuferpaar wird sehr aktiv. Meine Einschätzung dazu war völlig unklar, daher suchte ich nach Alternativen, die ich nach 20 Minuten nachdenken und rechnen fand:

45. Sxf7!! Txf7 46. Tb8!!

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Die Idee hinter dem Opfer ist folgende: Schwarz ist völlig gelähmt und gefesselt. Er hat momentan eigentlich nicht eine Figur mehr sondern eine weniger, da sowohl der Lg7 als auch der Sh5 überhaupt nicht mitspielen.

Falls nichts passiert, kann Weiß auf verschiedene Wege gewinnen. Einfach ist z.B. direkt Dg2, da Schwarz die Damen nicht tauschen kann wegen dem Lc8 und sonst Dxg6 kommt. Falls Schwarz irgendwie aus der Fesselung kommen will, hat er nur eine Option:

46. ..Kf8

(Kh8 oder Kh7 sind chancenlos da sie die ganze Qualität geben nach LxTf7. Alternativen:

46…Dd7 hilft nicht weiter, da 47.Dc2! den c7 und den Sd3 deckt und danach Dc4 tödlich ist

46…Sf4 hilft auch nicht 47.  SxSf4 gxSf4 48. Dg2! Damentausch verliert den Lc8, falls Schwarz wegzieht kommt Dxg6 +-)

47. Dc5+ Te7

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Soweit so gut, jetzt muss Weiß etwas haben sonst hat er ein Problem: Eine Figur weniger und es droht Df1 bzw. Dxf3+ . So weit musste ich rechnen bei Sxf7, und ich fand den oft so schwierigen stillen Zug

48. Kg1!!

Entschuldigt die vielen Rufzeichen die hier rumfliegen, aber gerade dieser Zug hat sie meiner Meinung nach verdient. Mit einer Figur weniger findet sich dieser Zug nicht leicht, aber er stellt Schwarz wieder vor alle Zugzwang Probleme wie vorher.

48….Dd7!

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Schwarz verteidigt sich weiter gut. Auf das eigentlich geplante 49. Dc4 deckt 49….Sf6 das Matt auf g8, danach sollte aber 50. Sxe5 trotzdem gewinnen. Ich sah eine klarere Variante:

49. Dd5 (droht Dg8# und DxDd7 und der Lc8 ist weg, daher)

49….DxDd5 50. exDd5!!

Das Zwischenschach TxLc8+ reicht wahrscheinlich auch nach 50…Te8 51. TxTe8 KxTe8 52. dxDd5 Kd7 53. d6! Nebst Le6+ und Umwandlung.

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Jetzt hat Schwarz ein Problem: 50…Txc7 51. d6! ist sofort aus, da Td7 oder ähnliches sogar Matt wird!

Hier zeigt sich die hervorragende Koordination und das Zusammenspiel der weißen Figuren (Und der unglaublich starke La2): Mit nur drei Figuren im Mittelspiel entstehen hier noch taktische Mattmotive. Dagegen sind die schwarzen Leichtfiguren nur traurige Zuschauer.

50…Te8 Der Einzige

51. d6 Was sonst? …Lh3

Auch hier der einzige, sonst kommt direkt TxLc8 nebst d7 +-

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Auf zum Schlussakkord. Welche Figur steht noch schlecht? Richtig, Sd3! Die folgende Route nach e6 gewinnt nun schnell und einfach

52. Sc5 e4 53. Se6+ LxLe6 53. LxLe6 1:0

Und die große Karriere des einstigen d-Bauerns wird am Ende mit einer Umwandlung gekrönt.

Ich will noch die Geschichte mit der Unsterblichen Zugzwang Partie von Nimzowitsch beenden. Diese Partie, in der Nimzowitsch eine Figur opfert und sein Gegner völlig machtlos im kompletten Zugzwang im Mittelspiel aufgibt mit Mehrfigur hat mich damals tief beeindruckt. Ein wenig fühlte ich mich daran erinnert, da ich auch hier bis zum Ende mit Minusfigur meinen Gegner in eine Art Zugzwang brachte. Vielleicht ist der Vergleich ein wenig Größenwahnsinnig, aber schön war die Partie auf jeden Fall! Ich hoffe euch hat sie eben so gut gefallen wie mir!

5 Kommentare to “Meine Unsterbliche Teil 2”

  1. Matias Jolowiczam 06 Okt 2019 um 23:38

    Ja, so eine Partie mit den launigen Kommentaren macht Spaß! Danke David!

  2. am 07 Okt 2019 um 01:21

    Starker Sieg David. Am nächsten Spieltag wirst du wahrscheinlich gegen einen der “starken Petzold- Brüder” spielen. Hoffentlich gelingt dir dort die nächste unsterbliche oder irgendwie anders siegreiche Partie!? Ansonsten gratuliere ich Teimour Radjobov zum doch schon fast sensationellen Sieg im Weltcup! Er hat dabei mit Shakh Mamedyarov und MVL und Ding Liren im Finale immerhin die Nrn. 7, 4 und 3 der Weltrangliste ausgeschaltet und sich damit m. E. zu Recht einen Platz im Kandidatenturnier im nächsten Frühjahr erkämpft. Die Favoriten dort bleiben aus meiner Sicht trotzdem Fabi und Ding Liren - egal wer sich sonst noch qualifiziert. Was meint Ihr?

  3. am 08 Okt 2019 um 00:13

    @David: Hallo David, ich habe deine Partie jetzt doch einmal von meinem Computerprogramm betrachten lassen. Es ist zu sagen, dass objektiv eure Partie sehr lange im dynamischen Gleichgewicht war. 41. La2 ist übrigens auch nach Computer”meinung” der stärkste Zug. Die Entscheidung in eurer Partie fiel wohl objektiv in Zug 45. Das Springeropfer auf f7 ist durchaus spielbar, ändert aber “grob an der Remisbreite” noch recht wenig. Die Annahme mit Txf7 und den folgenden “problematischen Fesselungen” ist aber wohl der entscheidende Fehler deines Gegners. Ein “cooles Kh7″, um aus der Fesselung zu gehen, lässt die Stellung aber weiter ungefähr im Gleichgewicht. Vielleicht hat er deinen stillen Zug im 48. (Kg1) übersehen? Dies wird aber natürlich nur dein Gegner beantworten können …

  4. David Riemayam 17 Okt 2019 um 08:19

    Hallo Jü,

    vielen Dank für deine Kommentare, hier nun meine verspätete Antwort. Züge wie Kh7 sind der Grund, wieso ich Stellungen dieser Art manchmal ungerne mit dem Computer anschaue. Niemand, weder ich noch viele Leute mit denen ich die Partie analysierte, kamen überhaupt auf die Idee Kh7. Dieser Zug ist im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich. Er nimmt dem Zug Sxf7, auf den ich sehr stolz bin und war und über 20 Minuten rechnete ein wenig von seinem Zauber.

    Kh7 sagt gefühlt: “Mehr als Sxf7 kannst du nicht?”. Wenn dazu noch irgendwas wie 0.00 aufblinkt kommt dazu noch ein “Ist doch gar nichts los”. Und diese Anzeige und Bewertung widerspricht der gefühlten Lage in der Partie so stark, dass es mir innerlich widerstrebt.

    Mein Fazit: Diese Analyse bestärkt mich darin, noch mehr auf den Computer zu verzichten, da er sehr viel vom Zauber einer Partie nehmen kann. Auch in meinen aktuellen Partien der BEM sagt er gefühlt in 80% der Zeit 0,00. Und das waren beileibe keine langweiligen Stellungen.

  5. am 18 Okt 2019 um 00:07

    Hallo David: Das Springeropfer war natürlich klasse. Du musstest durchrechnen, ob es funktioniert. Für deinen Gegner ist die Lage “etwas anders”. Er muss sich überlegen, ob das Opfer in Ordnung ist, oder “Lücken” hat. Wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass er es annehmen kann und dann ggf. gewinnt oder zumindest remisiert, kann/sollte er es auch annehmen. Zu diesem Ergebnis ist wohl dein durchaus starker Gegner Alexander Izrailev auch gekommen. Wenn man allerdings “Zweifel” hat, dass man die Fesselungen auf der langen Diagonalen von a2-g8 und die Probleme auf der Grundreihe “überlebt”, finde ich den Zug Kh7 aber gar nicht mehr “so unmenschlich/unlogisch”, da er sowohl die lange Diagonale als auch die “8. Reihe” verlässt. Hierzu gab es sogar “kaum” Alternativen. Dein Mut, das Figurenopfer auszuführen, ist natürlich trotzdem bewundernswert.

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