Jan 12 2014

Ein Januar in Niedersachsen

Veröffentlicht von Stefan Langenfeld um 22:24 unter Turniere

Niedersächsische Landeseinzelmeisterschaft in Verden 2014 - Teil 1. Ich bin fest davon überzeugt, dass zu diesem Turnier noch Berichte anderer Autoren folgen werden.

Es lag bestimmt an der Anreise, begonnen am 1. Januar um 21:03 Uhr in Saarbrücken, viermal umgestiegen und zwischen Karlsruhe und Hannover im Ruhesessel des Großraum-Schlafwagens einem internationalen Schnarch-Konzert beigewohnt, beendet am 2. Januar um 7:28 Uhr im Bahnhof Verden mit anschließendem Fußmarsch zum Niedersachsenhof, dass ich mit einer Leistung von 1677 so schlecht gespielt habe wie seit 20 Jahren nicht mehr. Nee, stimmt gar nicht, wie ich soeben in meiner DWZ-Karteikarte lese: 2010 habe ich bei der LEM mit 4 aus 7 eine Leistung von 1591 performt.

Die guten Nachrichten (Simon Landesmeister, Sven und Jü aufgestiegen) sind bereits veröffentlicht. Mein eigenes Spiel (immerhin mit 3,5 aus 7 stolze 50%) kann nur noch zur Abschreckung dienen und meine jetzt folgende Selbstgeißelung hilft mir möglicherweise in den nächsten Mannschaftskämpfen.
Die nachfolgenden Diagramme sind für Jugendliche unter DWZ 1677 nicht geeignet, einfach um ihre spielerische Weiterentwicklung nicht zu gefährden:

terstal-langenfeld.jpg
5. Runde: ter Stal,Sven-Langenfeld nach 33. gxh4.

Turmendspiele kann man gewinnen. Hier zum Beispiel mittels 33. …Te6+ und Transformation in ein gewonnenes Bauernendspiel mit eigenem Freibauern. Ich hingegen hatte Angst, Weiß könne sich im Bauernendspiel einen Freibauern am Damenflügel machen (immerhin stehen dort seine 4 gegen meine 3 Bauern), zog etwas anderes und Remis im 41. Zug.

langenfeld-schwenteck.jpg
4. Runde: Langenfeld-Schwenteck,Peter nach 69. …a3.

Turmendspiele kann man aber auch verlieren. In diesem Beispiel mit dem von mir gefundene Zug 70. Tg8 und sowohl die Schachgebote als auch der Angriff auf den a-Bauern von hinten, wie ich von Tarrasch glaubte, gelernt zu haben, scheitern nach 70. …Txc6 an der Abwehr durch den schwarzen Turm, während 70. Tg3 zum Remis führt, wie jedermann leicht sieht.

langenfeld-merettig1.jpg
6. Runde: Langenfeld-Merettig,Georg nach 5. …f5.

Es war nicht alles schlecht. Um es vorweg zu nehmen, Schwarz darf die Eröffnung so nicht behandeln, wenn er nicht sofort verlieren will, auch wenn Matthias Tonndorf das später an der Theke zunächst anders sah - und Georg fragte mich ebendort: “Ach, Sie haben sich vorbereitet?”. Während der Bezirkseinzelmeisterschaft 2013 in Wolfenbüttel hatte ich gegen Merettig bereits diese Stellung auf dem Brett. Damals spielte ich 6. Ld3, erreichte später eine Verluststellung (natürlich nicht wegen Ld3) und hielt mit viel Glück am Ende noch Remis. Nein, ich hielt es nicht, mein Gegner nötigte es mir auf. Vor der 6. Runde der LEM schaute ich mir mit Engine-Unterstützung also so etwa zehn Minuten lang die Partie vom Herbst nochmal und fand folgende Neuerung: 6. Lb5+!N.
Damit ist aus meiner Sicht die Partie im höheren Sinn schon für Weiß gewonnen.
Nach 6. …c6 7.dxc6 bxc6 8. Lc4 fxe4 9. Sxe5 d5

langenfeld-merettig2.jpg

geht 10. Sxd5+-. Ich spielte 10. Sxe4 und 1-0 im 21. Zug.

Eine ganz andere Geschichte ist die Folgende:

langenfeld-merettig3.jpg

Jü, der sich die Position anschaute, während ich abwesend war, berichtete mir nach der Partie, Georg hätte in dieser Stellung die Dame nach b6 gestellt und losgelassen, um sie wenige Sekunden später mit Schachgebot nach a5 zu ziehen. Auf den Sachverhalt angesprochen, sagte Georg: “Ja, die sind beide schlecht”.

Weitere Impressionen und Inhalte abendlicher Diskussionen zwischen Jü, Sven, Matthias Dorn und mir:

bode-tennert.jpg
4. Runde: Bode,Wilfried-Tennert,Simon.

Die einzige Verlustpartie des neuen Landesmeisters. Ich stand, während diese Stellung entstand, mit Spartak Grigorian und Bernd Laubsch draußen vor dem Fenster im Regen. Ich rauchte, Bernd meinte: “Hier kann man kiebitzen und sich gleichzeitig unterhalten”. Simon war schon in arger Zeitnot. Spontan sah ich das Pattmotiv durch Sg7, das, wie spätere Analysen mit Jü und Sven ergaben, leider nicht ganz reicht. Stattdessen führt Sd4 mit dem Angriff auf den Bauern f3 zum Ausgleich. Simon spielte - ich glaube - Sd1 und verlor später.

Ansonsten hat Simon aber überzeugend die LEM dominiert und verdient gewonnen. Glückwunsch Simon zum Titel.

hagemann-lai.jpg
6. Runde: Hagemann,Sven-Lai Hop,Duong nach Tc2.

In dieser vermutlich ausgeglichenen Stellung gab Lai auf. Aber wie soll Weiß nach …Tf8 Txf2 Te8 Td2 Te4 gewinnen?

So Leute, ich habe meine in Verden angekündigten Berichte veröffentlicht. Jetzt seid ihr dran.

6 Kommentare to “Ein Januar in Niedersachsen”

  1. Sven Hagemannam 12 Jan 2014 um 22:57

    Ich würde ja gerne wissen, wie Simon in dieser Stellung Sd1 gezogen haben soll?!?! *Mierenneuk* ;);)

  2. Fabianam 12 Jan 2014 um 23:22

    ->folgende Selbstgeißelung hilft mir möglicherweise in den nächsten Mannschaftskämpfen

    Erhoffte Wirkung der Selbstgeißelung auf dich selbst oder auf dein Umfeld?
    Falls Letzteres: Mein Mitleid hast du, die Unterschätzung durch kommende Gegner bestimmt auch :D

    ->Die nachfolgenden Diagramme sind für Jugendliche unter DWZ 1677 nicht geeignet, einfach um ihre spielerische Weiterentwicklung nicht zu gefährden

    Diagramme alleine können bestimmt niemandem schaden, diese oberflächlich mit krassen Fehleinschätzungen zu versehen wäre eher ein Problem.

    ->Ansonsten hat Simon aber überzeugend die LEM dominiert und verdient gewonnen

    Die zitierte Partie aus Runde 4 demonstriert m.E. sehr gut, wie verdient Simons Erfolg tatsächlich war - vor dieser Endspielstellung (88. Zug Schwarz) stand er praktisch 70 Züge lang auf Abriss und erkämpfte sich dennoch die Remischance. Leistungsbereitschaft und Kampfgeist, die mich beeindrucken.

  3. Sven Hagemannam 12 Jan 2014 um 23:26

    Dabei kam Simon im Spielsaal zu mir und meinte, er hatte schon überlegt aufzugeben, als er in der Eröffnung Wilfried zu d5 gekommen lassen hatte. Umso bitterer, wenn der Kampfgeist dann nicht belohnt wird :(. Naja, im Endeffekt war’s ja dann vielleicht genau richtig so für den weiteren Verlauf des Turniers ;);).

  4. […] Runde 6 kam Stefan in seinem Bericht schon zu sprechen. Nachdem ich mich nun also so langsam wieder eingespielt hatte wartete mit CM […]

  5. Stefan Langenfeldam 13 Jan 2014 um 06:43

    @Sven: ja, ja. Sd8. In letzter Zeit habe ich neben der bekannten Links-Rechts- auch die Oben-Unten- bzw. Vorne-Hinten-Schwäche.
    @Fabian:
    1) Unterschätzung durch Gegner im Umfeld ist die Intention. Ich wollte diese aber nicht explizit vorwarnen. ;-)
    2) Ich hoffe, meine oberflächlichen Fehleinschätzungen sind nicht allzu krass. Der Hinweis auf die “Nichteignung” war augenzwinkernd gemeint - habe den Smiley vergessen. ;-)
    3) Die Notation der Partie Bode-Tennert liegt mir nicht vor. Danke für die ergänzende Kommentierung.

  6. Fabianam 13 Jan 2014 um 13:08

    ->2) Meine Anspielung bezog sich auf ein bestimmtes Diagramm und die dazugehörige Textstelle. Deine Einschätzungen waren nicht gemeint. Das mit dem Augenzwinkern verstehe ich nicht.
    ->3) Wird wohl nicht weiter vertieft, denn ich würde tippen, dass Simon für seinen Bericht diese Partie nicht zur näheren Betrachtung ausgewählt hat :)

    Über deine Oben-Unten- bzw.Vorne-Hinten-Schwäche müssen wir noch mal reden :D

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