Jan 12 2014

Sven Glückspilz, auch genannt “Punktelieferant”, schlägt zu

Veröffentlicht von Sven Hagemann um 22:45 unter Turniere

Oder:

Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.

Anton Komrowski spaßeshalber in Bezug auf mein Abschneiden bei der LEM
 

Es hätte noch so viele passende Überschriften für mein Abschneiden bei der diesjährigen LEM gegeben, aber lassen wir das mal lieber sein…
Nachdem ich mich sehr kurzfristig (nämlich am Tag des Anmeldeschlusses) letztendlich doch dazu durchgerungen hatte die LEM mitzuspielen war ich vor Turnierbeginn dann doch gespannt wie sich meine knapp einmonatige schöpferische Schachpause auf mein Spiel auswirken würde. Da ich lieber ausgeruht am Donnerstag morgen in die LEM starten wollte beschloss ich, wie bereits auch letztes Jahr, schon einen Tag früher anzureisen und das Ganze dann gleich mit einer Teilnahme bei der Schnellschach-LEM, die dieses Jahr (terminlich etwas unglücklich) am Neujahrstag ebenfalls in Verden ausgetragen wurde, zu verbinden. Sowohl die Anreise, als auch die Teilnahme an eben jener genannten Schnellschach-LEM verliefen problemlos, auch, wenn ich bei dieser mit Platz 19 bei vier Pflichtsiegen und drei “Pflicht”niederlagen nichts gerissen habe. Die Fortschrittstabelle ist hier zu finden. Lediglich bei meiner Vorschlussrundenniederlage gegen den vereinslosen IM Till Wippermann wäre etwas mehr drin gewesen. Gewonnen hat die Schnellschach-LEM, wie übrigens bereits im Vorjahr, der für den SK Turm Emsdetten spielende IM Christian Richter, der auch alljährlich als Trainer für diverse Jugendliche der LEM “beiwohnt”. So weit, so gut. Der eigentliche Grund für mein Anreisen am Tag vor dem Beginn der “normalen” LEM war ja, dass ich am kommenden Tag ausgeruht in das Turnier starten wollte. Doch daraus wurde leider nichts…


Runde 1

… denn aus welchen Gründen auch immer kam ich im Hotel nur zu einer Stunde Schlaf. Völlig fertig musste ich also in der ersten Runde an das Brett und lustigerweise bekam ich als Erstrundengegnerin meine Letztrundengegnerin von der Schnellschach-LEM, Monika Braje (DWZ 1735, Elo 1793), vom SK Lehrte zugelost. Überspielte ich sie im Schnellschach noch relativ souverän, nahm ich auch diesmal ihren Gambitbauern mit, hatte im Laufe der Partie auch genügend Möglichkeiten die Stellung mit Materialvorteil für mich vorteilhaft zu vereinfachen, verschmähte diese aus welchen Gründen auch immer aber alle, bis es zu folgender Stellung kam:

hagemann-braje1.jpg
Hagemann-Braje nach 23…Lc7-b8

Nach 23 Zügen habe ich es also “endlich” geschafft: Alle schwarzen Figuren stehen optimal, meine Bauernmajorität am Damenflügel bzw. mein Mehrbauer bringt mir gar nichts. Natürlich ist diese Stellung noch weit weg von Verlust, jedoch alles andere als das, was man sich gegen einen “schwächeren” Gegner bzw. eine “schwächere” Gegnerin wünscht. Und selbstverständlich hätte es hier auch noch Lösungen für die weißen Probleme gegeben (z.B. g3 oder Kf1). In, im wahrsten Sinne des Wortes, geistiger Umnächtigung zog ich jedoch 24.h3?? und hätte nach 24…Lxf3! 25.Lxf3 e4!! eigentlich schon aufgeben können. Es folgte 26.dxe4 Dh2+27.Kf1 Sf4 mit der einzigen Verteidigung 28.g3. Die Stellung nach 28…Sxh3 verdient meiner Meinung nach nochmal ein Diagramm:

hagemann-braje2.jpg
Hagemann-Braje nach 28…Sxh3

Hier war mir zusätzlich entgangen, dass der Springer von h3 aus auch noch das Feld g1 beherrscht, auch, wenn ich nach Sf4 eh keine andere Wahl als 28.g3 mehr hatte. Zuerst geplant hatte ich hier 29.Lg2, was jedoch konkret an 29…Dg1+ nebst Matt auf f2 scheitert, zumal auch andere Züge gewinnen würden. Ich versuchte noch 29.Ld4 und konnte nach 29…Le5!! nur 2 Züge später aufgeben. Eigentlich dachte ich hier, dass die LEM jetzt schon gelaufen sei… aber wie ihr wisst, sollte ich mich arg täuschen.

Runde 2

Trotz meiner Erstrundenniederlage bekam ich in der zweiten Runde mit Immo Frese (DWZ 1752, Elo 1895) von der SG Garbsen/Marienwerder einen nominell sogar noch etwas stärkeren Gegner als meine Erstrundengegnerin zugelost. In einer bis dahin recht unspektakulären Partie kam es im 22.ten Zug zu folgender Stellung:

frese-hagemann1.jpg
Frese-Hagemann nach 21…Dd7-b7

Hier stellte mein Gegner mit 22.d5? einen Bauern ein, was ihn jedoch nicht daran hinderte mir nach 22…fxe4 23.Txf8+Kxf8 mit 24.Dxe4 Remis zu bieten, was ich mit 24…Sf6 natürlich ablehnte und nach 20 weiteren Zügen gewann. Immerhin hatte ich damit einen totalen Fehlstart verhindert.

Runde 3

Neuer Tag - neues Glück, dachte ich zumindest. Immerhin hatte ich von Donnerstag auf Freitag schonmal mehr Schlaf als von Mittwoch auf Donnerstag. Zugelost in Runde 3 bekam ich Klaus Franke (DWZ 1735, Elo 1877) von den Schachfreunden Hannover. Nachdem ich aus der Eröffnung nichts rausgeholt hatte und im frühen Mittelspiel eine gute Gelegenheit liegen ließ, kam es im späteren Mittelspiel zu folgender strategischer Verluststellung:

hagemann-franke1.jpg
Hagemann-Franke nach 31…Dc4-b3

Die schwarzen Figuren stehen deutlich besser und früher oder später fliegt der Bauer auf a4 einfach weg. Zu meinem Glück fing mein Gegner jetzt in meiner Zeitnot an mitzublitzen und verwandelte innerhalb sieben Zügen seine Gewinnstellung in eine totale Verluststellung:

hagemann-franke2.jpg
Hagemann-Franke nach 39.f4

Schwarz hatte gerade 38…Dd5-g5 gezogen und musste nach 39.f4 erkennen, dass die Dame gefangen ist. Mein Gegner zog richtigerweise mit 39…Td2 die Notbremse, was nach 40.Dxd2 Dxg4+ 41. Kh1 Dxh5+ 42.Dh2 Df5 folgende Stellung ergab:

hagemann-franke3.jpg
Hagemann-Franke nach 42…Dh5-f5

Diese Stellung muss natürlich gewonnen sein. Nicht aber, wenn man wie ich, nach fast 25-minütigem Überlegen und fast Aufbrauchen seiner gesamten Restbedenkzeit mit 43.c5????? einen der wahrscheinlich schlechtesten Züge in dieser Stellung macht. In meinen 25-minütigen Überlegungen machte ich mir blödsinnigerweise am meisten Gedanken darüber, wie ich denn den c-Bauern behalte, was wohl mit das Unwichtigste an dieser Stellung ist. Nach 43…Dd5+ guckte ich ziemlich blöd aus der Wäsche, war es doch gerade dieses Schach, dass ich total übersehen und mit 43.c5????? erst zugelassen hatte. Nachdem ich im weiteren Verlauf eine weitere Möglichkeit zum Gewinn ausließ musste ich nach 60 Zügen in das wohl insgesamt gerechte Remis einwilligen.

Runde 4

Endlich mal einen Start-Ziel-Sieg gab es in der vierten Runde gegen den Jugendlichen Marius Nürenberg (DWZ 1699, Elo 1596) vom SK Meppen, da ich in folgender Stellung

nurenberg-hagemann.jpg
Nürenberg-Hagemann nach 11.fxe5

mit 11…Txf3!! bereits im elften Zug in entscheidenden Vorteil kam, 0-1 nach 23 Zügen.

Runde 5

Die fünfte Runde bescherte mir mit Harald Palmer (DWZ 1780, Elo 1862) vom SK Verden einen Einheimischen, gegen den ich mal wieder mehr mein eigener Gegner war. Nachdem ich, anstatt dem beschleunigten Drachen mit Maroczy aus dem Weg zu gehen, mich doch auf diesen einließ, entstand nach 8 Zügen folgende Stellung, auf die ich eigentlich keine Lust hatte:

hagemann-palmer.jpg
Hagemann-Palmer nach 8.Dd2

Den Großteil meiner Bedenkzeit hatte ich bisher damit verschwendet mir darüber Gedanken zu machen wie ich denn nun aus dieser Nummer noch rauskomme. Hauptvariante wäre nun 8…d5. Die Lektion, dass man sich jedoch im Vornherein lieber gar nicht so viele Gedanken machen sollte, erteilte mir mein Gegner indem er völlig überraschend 8…Sxd4 zog. Nach 9.Lxd4 wurde es dann wieder eine ganz “normale” Drachenpartie mit heterogenen Rochaden in der mein Königsangriff zuerst durchschlug, 1-0 nach 35 Zügen.

Runde 6

Auf Runde 6 kam Stefan in seinem Bericht schon zu sprechen. Nachdem ich mich nun also so langsam wieder eingespielt hatte wartete mit CM Duong Lai Hop (DWZ 2096, Elo 2173) von der Schachabteilung des SV Werder Bremen mein erster nominell stärkerer Gegner und gleichzeitig einziger Titelträger im A-Open auf mich. Nachdem die Eröffnung und das Mittelspiel relativ langweilig verliefen, wir beide einen taktischen Bauerneinsteller meinerseits übersahen und mein Gegner ein Remisangebot ausschlug kam es zu folgendem interessantem Turmendspiel:

hagemann-lai-hop1.jpg
Hagemann-CM Lai Hop nach 43…Tg5xg3+

Und im weiteren Verlauf eben zu der von Stefan bereits gebloggten Stellung:

hagemann-lai-hop2.jpg
Hagemann-CM Lai Hop nach 55.Tc2

Hier gab mein Gegner, wie bereits von Stefan korrekterweis berichtet, auf. Nun ist diese Stellung bei weitem natürlich (noch) nicht gewonnen. Aber wer schaut einem geschenkten Gaul schon ins Maul?! ;-)

Runde 7

Durch meinen etwas glücklichen Sieg war ich auf einmal wieder im Geschäft. Doch wirkliche Chancen hatte ich mir aufgrund der nominellen Überlegenheit meines Gegners, Boris Schröder (DWZ 2149), von der SG Osnabrück nicht wirklich ausgerechnet, weshalb ich in folgender Stellung

schroder-hagemann1.jpg
Schröder-Hagemann nach 6…b5

auch relativ früh Remis bot, welches natürlich abgelehnt wurde, wohlwissend von meiner Blindheit, durch die ich durch meinen 11.ten Zug den “Mehrbauern” auf b5 taktisch einstellte, gerade in dem Moment, indem ich in größeren Vorteil hätte kommen können. Zu meinem Glück war die Partie nach dem taktischen Einsteller nicht sofort verloren, so dass ich zumindest noch weiterspielen konnte. Nachdem ich weitere gute Möglichkeiten in der Partie ausgelassen hatte, stand ich zwischenzeitlich komplett auf Verlust, bis es im 40.ten Zug zu folgender Stellung kam:

schroder-hagemann2.jpg
Schröder-Hagemann nach 39…h6

Ob die Stellung gewonnen ist sei mal dahingestellt. Klar ist aber, dass Schwarz diese Stellung nie gewinnen wird. Es sei denn, ja es sei denn der Weiße “vergisst” die Uhr. So geschehen…

Wer sich jetzt noch fragt, warum die Überschrift so passend gewählt ist, der sollte den ganzen Bericht nochmal von vorne lesen…
Und zu meiner Schande muss ich gestehen: Ja, einen unverdienteren fünften Platz im A-Open der LEM gibt es nicht. Schach ist eben wirklich wie Fußball, nur eben MIT Würfeln…
Mir ist heute noch rätselhaft womit ich das ganze Glück, dass mir in den letzten beiden Runden der LEM zugeflogen ist, verdient habe.
Und, achja… die Qualifikation für das Meisterturnier 2015 hat mir das Ganze auch noch gebracht… unglaublich…
Man sieht sich… bis die Tage…
Euer Sven

11 Kommentare to “Sven Glückspilz, auch genannt “Punktelieferant”, schlägt zu”

  1. am 13 Jan 2014 um 11:05

    @Sven: Natürlich hast du etwas Glück gehabt, aber auch Remis-Ergebnisse gegen die Gegner der Runden 6 und 7 wären doch ok gewesen. Wie man (Boris Schröder) bei der 30-Sekunden-Regel in diesem Open im 40. Zug (bei recht einfacher Stellung) die Zeit überschreiten kann, bleibt eines “der Geheimnisse” im Schach, die im Nachhinein wohl wirklich niemand erklären kann.

  2. Fabianam 13 Jan 2014 um 13:11

    Ein weiteres “der Geheimnisse” im Schach ist übrigens die Beurteilung der Angemessenheit von Remisangeboten.

  3. Daniel Chancelloram 14 Jan 2014 um 22:51

    “Wie man (Boris Schröder) bei der 30-Sekunden-Regel in diesem Open im 40. Zug (bei recht einfacher Stellung) die Zeit überschreiten kann, bleibt eines “der Geheimnisse” im Schach, die im Nachhinein wohl wirklich niemand erklären kann.”

    @Jü:
    Das ist mir vor einiger Zeit auch mal in einer ähnlichen Stellung mit drei Mehrbauern passiert. Die Partie ist innerlich abgehakt, man schaut eigentlich nur noch nach dem schnellsten Gewinn und plötzlich Zeit.
    Erklären kann ich es trotz eigener Erfahrung allerdings nicht.

    Glücklicherweise hat es mein Gegner in der letzten Runde auch “geschafft” auf Zeit zu verlieren. Gerade in dem Moment wo ich zu der Erkenntnis kam, dass mir ein Remis zum Turniersieg reichen würde, da ja Boris gegen Sven gewinnen würde.
    Gut, das ich erst gar nicht die Möglichkeit hatte Remis anzubieten. :-)

    @ Fabian:
    Bei deinen Ansichten zu Remisangeboten bin ich ganz bei dir. :-)

    @ Sven:
    Glückwunsch, nächstes Jahr dann im Meisterturnier? Ich werde wohl wieder verzichten und mich mehr auf das Training und Betreuen konzentrieren und mich erst für das Meisterturnier anmelden, wenn ich im A-Open 7 aus 7 geschafft habe um dann im Meisterturnier die 0 aus 7 folgen lassen zu können.
    Das hat selbst der kleine Fabian noch nicht geschafft.

    P.S.
    Glückwunsch auch an Jü!

  4. André Zeltwangeram 14 Jan 2014 um 23:03

    Wenn weitere 55 Spieler/innen verzichten, kommt Stefan L. auch noch ins Meisterturnier.

  5. Andyam 14 Jan 2014 um 23:07

    Nö, da gibt es keine Nachrücker. Steffie muss also den Landes-Dähnepokal gewinnen, Bezirksmeister werden oder auf 23 kommen.

  6. Besucheram 14 Jan 2014 um 23:27

    Ich merke mierenneukerisch an: Er muss nicht unbedingt Bezirksmeister werden, sondern nur vom Bezirksspielleiter für das LEM-Meisterturnier nominiert (dafür könnte es in der Tat reichen, wenn 55 Spieler aus dem Bezirk verzichten).

  7. am 14 Jan 2014 um 23:33

    @all(e): Das wird bestimmt ein tolles Finale im Landes-Dähnepokal zwischen Andy und Steffie! Schade Daniel, da wir dieses Jahr wohl frühestens in der 9. Runde aufeinandergetroffen wären, hätten wir nächstes Jahr vielleicht bessere Chancen!? Ich glaube übrigens nicht, dass du tatsächlich weniger Punkte als Fabian S. holen würdest. Deine Schlussstellung (immer noch live!) sieht auch nicht nach (zwingendem) Remisangebot aus. Wer stellt übrigens (freiwillig) noch ein Diagramm nach meinem “verunglücktem Schotten” des Gegners ein? Ich habe zwei Bauern gewonnen, zwei Leichtfiguren “hängen” auf h2 und f2, nur ein Problem, der Gegner kann nur eine schlagen und das “doppelte Mattnetz” greift zu.

  8. Andyam 14 Jan 2014 um 23:56

    @Besucher: der Punkt geht an dich. Es sei denn, ich lasse schnell noch in unserer Turnierordnung festlegen, dass der Bezirk nur den Bezirksmeister nominiert, andernfalls bleibt unser Platz frei ;-)

    @Jü: den verlorenen Punkt hole ich mir von dir wieder :-) Dieses Jahr hat unser Bezirk nur einen Platz im Landesfinale, so dass ich Steffie schon auf Bezirksebene ausschalten muss ;-)

  9. Ottiam 15 Jan 2014 um 00:29

    @Andy: Schon auf Kreisebene…; oder bekommt unser Kreis mehr als einen Startplatz auf Bezirksebene? Außerdem: Das sind ja schöne Absichten, die da geäußert werden!

  10. Andyam 15 Jan 2014 um 01:11

    @Otti: hm, stimmt auch wieder. Da bin ich dann wohl heute ganz leer ausgegangen :,-(

  11. muscat wineam 20 Jul 2014 um 10:40

    muscat wine…

    Schachvereinigung Salzgitter e.V. » Sven Glückspilz, auch genannt “Punktelieferant”, schlägt zu…

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