Mrz 24 2011
Der Traum ist aus
Die letzten rechnerischen Aussichten der Zweiten, den sofortigen Wiederaufstieg in die Landesliga doch noch zu schaffen, machten wir am Sonntag in Peine zunächst selbst zunichte. Glücklicherweise ließ aber auch Caissa Wolfenbüttel gegen Bad Harzburg nichts anbrennen, so dass wir uns nur über einen weiteren vergurkten Mannschaftskampf ärgern müssen. Herzlichen Glückwunsch nach Wolfenbüttel, die mit einem deutlichen 5½:2½ nach zwei Jahren verdient in die Landesliga zurückkehren.
Dabei begann der Sonntag mit einer erfreulichen Überraschung. Nachdem ich in der Vorwoche vergeblich versucht hatte, auch den zweiten der beiden Ausfälle zu kompensieren, hatten wir uns schon auf ein erneutes Spielen zu siebt eingestellt, was ohnehin wenig Freude macht und noch weniger, wenn man wenigstens noch nach dem dem letzten Strohhalm greifen möchte. Nun war aber Lars in der Nacht von Samstag auf Sonntag aus dem Urlaub zurückgekehrt, hatte meine Mail gelesen, in der ich mein Scheitern als Mannschaftsführer eingestehen musste, und stand dann spontan am Sonntag am Treffpunkt.
Auch der Kampf ließ sich gut an. Joachim bekam am zweiten Brett bereits nach einer Stunde ein Remisangebot von Carsten Pätz. In der Stellung war nicht viel los, so dass man mit Schwarz gegen den an diesem Tag DWZ-stärksten Peiner auch gut annehmen kann, ½:½ um 11:05 Uhr! Und es ging erfreulich weiter: schon um 12:00 Uhr folgte am ersten Brett der Führungstreffer durch Dietmar!
In der Diagrammstellung hatte Uwe Schmidt mit 14.- g6-g5 einen seiner Rochadebauern ein weiteres Mal gezogen, vermutlich um danach mit f7-f6 den Königsfügel abzuriegeln. Dem kam Dietmar nach 15. hxg5 hxg5 mit 16. f6! zuvor. Das Ausrufezeichen ist von mir, denn die Kiste ist von dem Bauernopfer nicht hundertprozentig überzeugt. Weiß kann aber auf den Bg5 spielen und bekommt neben offenen Linien auch den psychologischen Vorteil, dass er die Initiative übernommen hat. Möglicherweise führte das zu dem Kurzschluss nur drei Züge später, als Uwe zunächst eine Qualle opferte, was die Kiste nicht für nötig hält. Nach einem weiteren Fehlgriff war die Partie kurz danach bereits vorbei.
Den Ausgleich für Peine erzielte Marco Drewes am dritten Brett gegen mich. Wir wollten eigentlich das dritte Brett freilassen, so dass ich mich sogar auf eine Partie mit Schwarz gegen Marco am vierten Brett “vorbereitet” hatte. Das bestand im wesentlichen darin, unsere letzte Partie nachzuspielen, dabei festzustellen, dass man sich auf diese Variante eh nicht vorbereiten kann, um dann den Rechner auszumachen. Durch den spontanen Einsatz von Lars hätte ich nun aber gegen Christoph Helmer mit Weiß spielen müssen, wenn der nicht pausiert hätte. So kam es doch zur Partie gegen Marco, aber mit vertauschten Farben. Meine mangelnde Vorbereitung wurde dadurch ausgeglichen, dass er sich zwar was angeguckt hatte, aber zum Glück nur eine Variante, die ich normalerweise nur durch Zugumstellung aus einer anderen Eröffnung erreiche.
Somit waren wir beide schon recht früh auf uns selbst gestellt. Das führte bei mir zu einem (allerdings auch sonst nicht unüblichen) hohen Bedenkzeitverbrauch, und bei Marco zu einem Remisangebot im 11. Zug. Diesmal wäre die Annahme wirklich gerechtfertigt gewesen, auch wenn ich es sonst sinnfrei finde, sonntags früh aufzustehen um nach noch nicht mal 1,5 Stunden Remis zu machen. Ich hatte aber über meinen 11. Zug mehr als eine halbe Stunde nachgedacht, weil ich zunächst keine vernünftige Fortsetzung finden konnte. Diese Zeit nutzten zudem meine Mannschaftskollegen links (Siggi) und rechts (Dietmar, weil Joachim schon fertig war) neben mir, um jeweils eine Qualle zu gewinnen. Aber ich konnte leider (wieder mal) nicht “Ja” sagen…
Trotz fehlender Theoriekenntnisse ist diese Stellung sogar noch bekannt. Marco spielte hier 15.- e5, wie in St.Bergsson-J.Fridjonsson, Reykjavik-Open 2004. Erst nach 16. Sxc6 bxc6 brachte ich die Neuerung 17. g5?. Bergsson wird wohl gewusst haben, warum er mit 17. fxe5 fortsetzte (aber auch verlor). Meine Idee bestand nach 17.- fxg5 18. fxe5 in der Drohung e6, die ich für schwierig abzuwenden hielt. Ganz schrecklich an dieser “Idee” ist bereits die schwarze Möglichkeit 18.- Dc7 (oder Db8), wonach 19. e6 wegen 19.- De5+ überhaupt gar nicht geht.
Marco hielt sich aber nicht mit solch profanen Zügen auf, sondern präsentierte mir die kraftvolle Widerlegung 18.- g4!, nach der nichts mehr geht. Verhältnismäßig am besten sind noch die Läuferrückzüge nach g2 oder f1, aber nachdem Schwarz sein Zentrum konsolidert hat, fliegt mir irgendwann ersatzlos der Bh5 weg. Ohne groß zu gucken, weil ich das Bauernopfer schon für Verzweiflung hielt, nahm ich naiverweise mit 19. Lxg4 den Bauern, um nach dem bärenstarken 19.- Lh4! festzustellen, dass es sofort aus ist. Nach 20. Se4 (witzigerweise ist das noch der stärkste Zug, der die Partie sogar retten würde, wenn am Ende nach dem Damentausch nicht der Lg4 ungenügend gedeckt wäre) 20.- dxe4 21. Ld7+ Dxd7 22. Dxd7+ Kxd7 23. O-O-O+ Ke6 24. Lxh4 Sf5 gab ich um Viertel nach eins beileibe nicht zu früh auf.
Der negative Trend setzte sich am fünften Brett mit der Niederlage von Sebastian fort.
Nachdem Sebastian hier gerade rochiert hatte, griff sich Alexander Belakhin mit 14.- Lxb5 15. Lxb5 Sxd5 den weißen Zentrumsbauern, was nach 16. De4 Sxf4 17. Dxa8 auf ein chancenreiches Qualitätsopfer hinauslief. Sebastian wird das vermutlich anders sehen, aber die Kiste hält spätestens nach 17. -Db6 18. De4 Sg6 19. Lc4 Lxb2 immer mehr von der schwarzen Stellung. Als dann im 25. Zug der weiße Springer gegen einen seiner schwarzen Gegenparts getauscht werden musste, war auch der letzte Anschein eines weißen Königsangriffs entschwunden. Demhingegen musste Alexander in der Folge noch nicht mal seine zahlreichen Bauern in Bewegung setzen, sondern gewann seinerseits im Königsangriff: 2½:1½ für Peine gegen 13:35 Uhr.
Aber selbst hier waren wir noch guter Dinge. Christopher Vogel hatte am sechsten Brett seinen Mehrbauern gegen Lars nicht halten können, so dass die Partie in ein totes Turmendspiel getrudelt war, und an den anderen drei Brettern hatte ich vorteilhafte bis gewonnene Stellungen ausgemacht. Zunächst wurde dann tatsächlich die Partie von Lars und Christopher zum 3:2 für Peine remis gegeben, aber von den drei vorteilhaften Stellungen blieb nach und nach nicht mehr allzu viel übrig.
Lediglich Siggi konnte am vierten Brett seine schon früh auf die Siegerstraße gelangte Partie zum vollen Punkt vollenden. Die Weichenstellung erfolgte bereits in der Diagrammstellung, die Jürgen Garbuszus gerade durch den allzu passiven Springerrückzug 15. Sc3-e2 herbeigeführt hatte. Siggi setzte jetzt seinen Springer aktiver ein und zog 15.- Sc4! Die Kiste hält die Stellung schon für schwierig, und auch Jürgens Fortsetzung 16. Lxc4 macht die Sache nicht einfacher, denn nach 16.- dxc4 ist guter Rat bereits teuer. Preisfrage: was folgt nach 17. Dxc4? In der Partie folgte 17. Tb2 Sg3 und Siggi hatte keine Mühe nachzuweisen, dass der Bc4 keine ausreichende Kompensation für die Qualle darstellt. Die Umsetzung war allerdings technisch etwas langwieriger, so dass wir Siggi erst gegen fünf vor drei zum Ausgleich gratulieren konnten.
In der Zwischenzeit hatte Ernst leider seine Stellung am siebten Brett in Zeitnot nicht zusammenhalten können. Carsten Kluger gewann kurz nach der Zeitkontrolle einen wichtigen Bauern, und da die Stellung auch sonst sehr schwierig war, hatte Ernst schon recht früh wieder einen deutlichen zeitlichen Rückstand, was zu einem entscheidenden taktischen Überseher im 48. Zug führte. Da Jü zuvor bereits seine Gewinnstellung zum Remis verdorben hatte, war Ernsts Partie um 15:45 Uhr der Schlusspunkt zum 3½:4½. Zu Jüs Partie müsste ich ja unterdessen nicht mehr viel sagen, aber da er mehrmals darum gebeten hat, bringe ich das schon vorbereitete Diagramm mit der entscheidenden Stellung auch hier nochmal:
Welf Botho Elster hatte hier gerade mit 44. Lc8-b7 den Läufer gedeckt gestellt, woraufhin Jü die Wahl hatte zwischen 44.- Txb7 und 44.- c5 (Remis um 15:10 Uhr zum 3½:3½-Zwischenstand).
Da war Olaf anscheinend nicht der einzige Botvinnik am letzten Sonntag :)
Botvinnik-Soderborg, Stockholm 1962 nach 20…g6-g5
21.f6! (1-0,46.)
Ein sehr informativer, flüssig zu lesender und bemerkenswert objektiver Bericht. Danke, Andy! Die knappe Niederlage unterstreicht nochmals die richtige Feststellung eines eurer Spieler vom Sonntag, dass “die Zweite trotzdem besser ist als die Dritte”, was sich angesichts des Tabellenstandes, der Anzahl an >2000-Spielern bei euch und eben unserer viel höher ausgefallenen Niederlage gegen den PSV nicht bestreiten lässt… .
Dem Lob kann ich mich uneingeschränkt anschließen! Aber verstoßen die Angaben von Vorgängerpartien wie St.Bergsson-J.Fridjonsson, Reykjavik-Open 2004 nicht gegen die Informationspolitikgrundsätze der SVG, da nun jeder problemlos in Erfahrung bringen kann, welche Eröffnung in der Partie Klein - Drewes aufs Brett kam?!;-) Bei der Gelegenheit möchte ich mich dann bei Bernie noch erkundigen, was Steinhof gegen ihn damals mit Weiß gespielt hat;-)
Ja, grundsätzlich widerspräche die Preisgabe einer Vorgängerpartie natürlich der SVG-Informationspolitik, aber in diesem Fall habe ich mein eigenes Repertoire verraten und das ist dann in Ordnung. Die Preisgabe des Repertoires eines anderen SVGlers wäre natürlich satzungsgemäß ein Ausschlussgrund ;-) Marco wird’s egal sein, denn sein erster Satz bei der Analyse war: “Ich spiele ja sonst kein Caro-Kann”. Zu dumm, dass ich dann schon im dritten “abweiche”, obwohl ich an der Stelle in meinem ganzen Leben noch nie direkt Sc3 gespielt habe. Sein zweiter Satz bei der Analyse hat mich dann übrigens noch mehr der Ablehnung des Remisangebots hinterhertrauern lassen: “Wenn du angenommen hättest, dann hätte ich dir die Füße geküsst!” :-)
Mir scheint das nachträglich die vernünftigste Begründung für die Ablehnung zu sein :)
Hey Fabian, ich weiß, unsere “Kameradschaft” hat unter einem kleinen Vorfall bei den Bezirksmeisterschaften etwas gelitten, aber ein Remis gegen Andy ist solch eine ausscheifende Sympathiebekundung durchaus wert….:-)