Okt 06 2019

Meine Unsterbliche Teil 1

Veröffentlicht von David Riemay um 20:45 unter Mannschaft, Allgemein

Wow, was für ‘nen Titel! Bin ich größenwahnsinnig geworden? Vielleicht, aber während der Partie spukte dieser Name schon in meinem Kopf herum…

Der Titel bezieht sich dabei nicht auf die “Unsterblich Partie” 1851 zwischen Anderssen und Kieseritzky, sondern die “Unsterbliche Zugzwangpartie“ von Aaron Nimzowitsch in der 7. Runde des internationalen Turniers in Kopenhagen gegen Sämisch. Mehr dazu später.

Eine wichtige Anmerkung von mir: Diese Partie habe ich bewusst nicht mit einem Computer analysiert, da sie meinem Gefühl nach viel vom Zauber nehmen würde. Daher beruht jede Einschätzung, jedes ! und jedes !! rein auf meiner persönlichen Analyse.

Doch genug der Vorworte, kommen wir zu meiner Partie vom vergangen Sonntag, in der ich mit Weiß auf einen sehr starken Gegner traf

1. d4 e6 2. Sf3 c5 (Vorbereitet war ich nur auf Stonewall, also ab jetzt hieß es selber nachdenken. Da die ersten Züge aber nicht sonderlich viel passiert, werde ich erst später wieder einsteigen mit Diagramm) 3. e3 Sf6 4. Ld3 b6 5. 0-0 Lb7 6. b3 Le7 7. Lb2 0-0 8. Sbd2 d6 9. c4 Sbd7 10. De2 Te8 11. Tfd1 Lf8 12. Tac1 Dc7

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Hier musste ich das erste mal überlegen. Alle Figuren sind entwickelt, gegen schwächere Gegner hätte solch ein Aufbauen schon manchmal gereicht, da diese in diesen Stellungen manchmal das Zentrum öffnen ohne eben richtig vorbereitet zu sein. Nicht so mein Gegner, der ebenfalls erstmal alle Figuren optimal hinstellt bevor er weitere Aktionen trifft. Also was tun? Schwarz hat einen klaren weiteren igelmäßigen Aufbau: Tad8, Db8-a8

e4? Wird irgendwie zu sehr Igelmäßig, und dafür stehen meine Figuren gefühlt nicht optimal, seine schon.

a3 und b4? Sicherlich eine Idee, aber Schwarz wird alles so stehen lassen, was dann?

Ich entschied mich für Lb1, da der Läufer bei einer bald kommenden Öffnung im Zentrum auf d3 eher ungünstig steht (Sc5,e5) und Ideen mit Dd3 ins Spiel kommen. Ein echter Plan ist das natürlich erst mal nicht…

13. Lb1 Td8 (Logisch) 14. Dd3

Die Dame stand für mich auf e2 gefühlt ungünstig für Öffnungen im Zentrum, daher wollte ich sie ursprünglich nach c2 bringen.

14….e5 Endlich geht die Partie los!

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Was tun? Es droht offensichtlich …e4, daher muss meine Dame weg. Mein eigentlicher Plan Dc2 scheint logisch und wäre wohl auch sinnvoll gewesen, doch auf einmal gefiel mir Df5. Ich sah schnell, das der Zug zwiespältig ist. Denn die Dame soll Schwächen am Königsflügel erzeugen und zusammen mit dem Läuferpaar auf b1 und c1 Angriffsideen entwickeln. Allerdings hat sie dort auch wenig Felder, ein Thema das die Partie lange bestimmen wird

15. Df5 g6 16. Dg5 Lg7!

Einfach und gut. Nun wird es schon schnell eng für die weiße Dame, denn Sh5 nebst Lf6 droht schon direkt. Also….

17. Dh4  (Um dem Damenfang zu entgehen und auf .17…e4 18. Sg5! spielen zu können)

Der vierte Damenzug in Folge….Ob sie auf h4 besser steht als auf e2 bezweifele ich stark, daher war Df5 wohl eher eine nicht so gute Entscheidung.

17…. a6 (Abwartezug? Das kann ich auch!) 18. a3 Db8

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Hier sah ich wenig aktive Ideen für Weiß, die schwarzen Figuren stehen für mögliche Öffnungen im Zentrum eigentlich besser. Also Zentrum geschlossen halten!

19.d5!

Das Ausrufezeichen setze ich für eine gefühlt gute praktische Entscheidung. Denn wo soll Schwarz nun spielen? e4? Sicherlich eine Idee, aber auch riskant da der Bauer schnell verloren gehen kann. Der typische f5-Hebel ist sehr schwer umzusetzen, daher wird Schwarz eher am Damenflügel spielen. Dort steht allerdings die Dame auf b8 wo eher die Türme stehen sollten. Weiß kann sowohl mit b4 am Damenflügel als auch mit Se1-d3 und f4 am Königsflügel spielen. Ein großes Problem gibt es allerdings weiter für Weiß: Die Dame auf h4 steht weiterhin akut gefährdert!

19….Lc8 (Sicherlich gut, macht die b-Linie frei und nimmt der weißen Dame indirekt weitere Felder). Da nun schon wieder Sh5 in der Luft hängt, dachte ich mir nun: Die Dame muss jetzt unbedingt gerettet werden, sofort!

20. Se1 (Idee: f3, Df2 und die oben beschriebene Springerroute nach d3)  b5

Und hier hatte ich einen kreativen Moment und sah b4, es gefiel mir sofort und ich spielte es schnell (Meine Zeit wurde langsam knapp)

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Nehmen auf c4 Sxc4 und zwei mal nehmen auf b4 um den Bauern zu gewinnen für Schwarz scheitert an La3 nebst Sxd6.

21….h6 (Alarmglocken sofort wieder an: Damenfang droht mit g5)

22. f3 (Ich folge meinem Rettungsplan) bxc4 23. Sxc4 cxb4  24. axb4 e4

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Wow, was ist jetzt los? Keine Ahnung, ich wusste es während der Partie auch nicht wirklich. Was mir klar war: 25. fxe4? g5! 26. Df2 Sxe4 kann nur schlecht sein. Zeit wird knapper, Stellung kompliziert…Was tun? Ich entschied mich endlich meine Dame aus der Gefahr zu bringen, auf f2 verteidigt sie auch noch den König und deckt den Läufer auf b2.

25. Df2 exf3 26. gxf3 (Etwas luftig der König, dafür wird das Zentrum stark) Se5 27. e4 (Um d5 zu decken sowieso irgendwann Pflicht)

Nun wird aus b4 wirklich ein richtiges Bauernopfer …

27…Dxb4

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Okay, Bauer ist weg. Aber dafür sah ich nun die große Chance auf große Initiative. Auf e5 nehmen gibt mir noch zusätzlich einen starken gedeckten Freibauern auf d5, das ist sicherlich gute Kompensation. Der Mehrbauer auf a6 ist auch erstmal wenig wert, daher hatte ich hier weiterhin ein gutes Gefühl. Die Frage war nur: SxSe5 oder LxSe5? Ich entschied mich für LxSe5, da ich den Springer auf c4 sehr stark einschätze und das Läuferpaar hier wenig Rolle spielt. Inbesondere würde der Lb2 auf Granit auf e5 beißen.

28. LxSe5 dxLe5 29. Sd3 Db5 30. Td2! Weitere Aktivierung meiner Figuren …Sh5 (Natürlich, mein König ist leider etwas schwach) 31. Tb2 Dd7 32. Kh1 (Zeitnot nahe, erstmal einen Sicherheitszug) Dh3

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Hier guckte ich mir an, auf welches Feld im schwarzen Lager meine Springer eigentlich sollen…c6! Dadurch spielte sich 33. Sa5 von alleine 33….Td6!?

Wieso ein !? Der Zug ist stark, denn er droht ziemlich fies Tf6. Allerdings dachte ich mir in der Partie, eigentlich steht der Turm auf d6 ansonsten wirklich schlecht (Bis auf diese Drohung). Also was tun?

34. Dg2!

Das Ausrufezeichen gebe ich mir, da ich stolz auf die praktische Entscheidung bin, in Zeitnot mit Minusbauern den Damentausch angeboten zu haben. Denn ich hielt die Stellung für stark genug, dass sie den Bauern mehr als kompensiert, wenn nicht mein schwacher König wäre.

34….Dh4  35. Df2!? Konsequent, aber hier ist der Damentausch natürlich schlechter als auf g2 35….Df6? (Auf 35…Dh3 hätte ich möglicherweise Zugwiederholung zumindenst angedroht

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Hiernach spielen sich die nächsten weißen Züge fast von selbst und die Iniative wird riesig.

36. Sc4 Td8 37. Tb6 De7 38. Sa5 (Wieder zurück) Ld7 39. Tc7 Tc8

david10.PNG

Letzter Zug vor der Zeitkontrolle, viele Möglichkeiten. Sc6? scheint wegen Dd6! nicht gut zu sein, Tbb7 bietet sich an. Ich entschied mich dafür, endlich meinen Trumpf in Bewegung zu setzen, da er genug Unterstützung hat 40. d6! De6

Da hier die Zeitkontrolle geschafft war und der Artikel doch schon recht lang ist, folgt demnächst Teil 2 mit einigen taktischen Leckerbissen.

Bleibt dran!

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