Mai 30 2013

The Man is Utterly Mad

Veröffentlicht von Fabian um 20:32 unter Jugend

I’m Coaching a Lunatic

 

Letzten Sonntag ging die diesjährige DJEM zuende. Allein das Dabeisein macht immer viel Spaß, wenn dazu noch die Kleinigkeiten drum herum stimmen, will man nach einer Woche gar nicht mehr weg.
Erstmals in vier Jahren hatte ich das Glück, ein Zimmer mit schönem Panorama zu bekommen - eine Kleinigkeit, die stimmte:

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Simon und seine Zimmergenossen Spartak und Till hatten dagegen einen ähnlichen Ausblick wie sonst ich:

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Alle Turniere mit Ausnahme der U10 und U12 spielten in der dem Hotel zugehörigen Tennishalle. Hier die vorderen Bretter der U16 vor der 7. Runde, Simon an Brett 2:

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Rahmenprogramm fehlte natürlich nicht. Dem unbändigen Blitzdrang vieler Teilnehmer, Trainer und Betreuer wird z.B. alljährlich mit einem Dreier-Teamwettbewerb abgeholfen. Wobei die “Bestrafung” (der Name des Teams Till/Spartak/Simon)

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die direkte Folge von “Besdarnost” (russisch für Talentfreiheit und der Name des Teams Schneider/Carlstedt/Laubsch) sein kann.

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Um den Titel dieses Berichts verständlicher zu machen, kommen wir zum Partienteil. Es zeigte sich von Beginn an, dass Simon nicht seine beste Form erwischt hatte. Es ist ein diesbezüglich schlechtes Zeichen, wenn man regelmäßig einfache Taktik übersieht.

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Tennert - Müller nach 24…exd5

26.Sxd5 ist völlig gewonnen. Der c4 hängt, auf 26…Lxd5 (26…Sxd5 27.Lxc4) 27.exd5 b5 käme 28.d6 nebst De6+. Dem Zusammenspiel der aktiven weißen Figuren mit dem d-Freibauer hat Schwarz nichts entgegenzusetzen. Stattdessen kam 26.exd5? b5 27.axb5 axb5 und weil, einmal vom richtigen Weg abgekommen, der nächste noch gröbere Fehler eher die Regel als die Ausnahme ist, 28.Dd3?? Sxb2 und die Partie war faktisch beendet.

Die ordentliche DEM 2012 nach ebenfalls schlechtem Start ließ natürlich hoffen. Es ging aber eher zäh weiter. Einem lockeren Sieg mit guter Endspieltechnik in Runde zwei folgte der Verlust eines halben Punktes in Runde drei - wenn man den Gegner positionell völlig auseinander nimmt, braucht es irgendwann dennoch einfache Taktik, um den Punkt einzutüten:

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Sabirov - Tennert nach 31.Sc1-b3

31…Se3+ gewinnt zunächst mal einen Bauern. 31…Da6+ nicht sofort, es sei denn, Weiß spielt 32.Dd3? (besser war 32.Kg2 mit der Idee Dxa3 33.Sd2 drohend Ta1). 32…Dxa3 wäre nun gegangen, denn auf Damenfangversuche wie 33.Sc5 oder 33.Sd2 hängt auf die eine oder andere Weise d4. 32…Dxd3+? war immer noch Vorteil, reichte leider aber nicht zum ganzen Punkt.

Nach einem weiteren Remis in Runde vier kamen dann endlich zwei Siege in Folge. Der überzeugende Gewinn gegen den nominellen Turnierfavoriten zeigt dabei, wie stark Simons Leistungen in Oberhof schwankten.

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Tennert - Schröder nach 24…Db4-d6

Weiß hat einige verlockende Möglichkeiten wie b4 oder das Schlagen auf a5. 25.Tfc1! hielt einfach die Dominanz der weißen Figuren aufrecht. Schwarz brach schnell zusammen.
Somit hatte sich Simon vor den letzten drei Runden eine gute Ausgangsposition erspielt. Nach einem Schwarzremis gegen den starken Kvetny in Runde sieben kam er in Runde acht mit Weiß leider nicht über ein Unentschieden hinaus. Diese Partie war wirklich Madness total und kann nur komplett genossen werden: Bauernfeind

Vor der letzten Runde war klar: Wenn es an den Konkurrenzbrettern gut läuft, ist bei eigenem Sieg ein Podestplatz drin. Die Runde ließ sich auch gut an. Simons Gegner schien vor lauter Remisstreben ohne Kampf zu verlieren, und alle anderen Bretter spielten für ihn. Nachdem sich Simon vielleicht verfrüht auf eine taktische Konfrontation eingelassen hatte, entstand diese Stellung:

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Grunau - Tennert nach 31.Kh1-g1

Schwarz kann sich mit 31…Txe1 32.Txe1 Se4 33.Lf2 Lg4 34.Txb7 die Dame zurückholen und mit zwei Bauern für die Qualität versuchen, auf Gewinn zu spielen. Weniger gewinnträchtig scheint mir der Enginefavorit 32…d4 33.Lxd4 Se2+ 34.Txe2 zu sein.
Am wenigsten gewinnträchtig ist natürlich, wie tatsächlich geschehen, das Dauerschach zu nehmen und damit auf die Chance zu verzichten, Zweiter zu werden und sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren.
Am Ende stand der sechste Rang (siehe die Tabelle, die z.B. auch eindrucksvoll belegt, dass keine Holländer mitspielten).
Fünf Tage danach bin ich immer noch völlig konsterniert angesichts dieses Remisschlusses. Aber da die Zeit ja bekanntlich alle Wunden heilt…

 

Die Godottendenz fortführend schließe ich mit Heinrich Heine:

“Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt, ich trüg es nie;
Und ich hab es doch getragen -
Aber fragt mich nur nicht, wie?”

 

P.S.: Um die vielleicht harsch erscheinende Kritik an meinem Padawan zu relativieren, hier noch die Antwort des Russen auf die Aussage Molokovs im Musical Chess, aus dem ich Titel und Untertitel leicht verändert entlehnt habe:
“That’s the problem. He’s a brilliant lunatic and you can’t tell which way he’ll jump. Like his game he’s impossible to analyse. You can’t dissect him, predict him - which of course means he’s not a lunatic at all!”
Im Sommer geht’s weiter, immer weiter…

3 Kommentare to “The Man is Utterly Mad”

  1. Ottiam 30 Mai 2013 um 21:38

    Vielen Dank, Coach! Jedenfalls ist es niemals langweilig, Simons Partien zu verfolgen. Wenn es im Sommer weiter geht: “My friend, please relax. We´re all on your side.”; Molokov

  2. Fabianam 30 Mai 2013 um 21:45

    Solange ich dann nicht über ein “pathetic display from a man who’s beginning to crack” schreiben muss… ;)

  3. Ottiam 30 Mai 2013 um 22:31

    Simon sagt: ” Oh don´t give me that crap! I win - no one else does. And I take the rap if I lose”

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