Apr 29 2011

One and a half men am Neckarknie (II)

Veröffentlicht von Fabian um 00:20 unter Turniere

Wie, Schwarzwald?

Ich auf unserer Rückfahrt nach einer Stunde auf der A81

 
Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, vor Runde fünf. Da bekam Simon einen weiteren Schweizer, der übrigens sehr sypathisch war, allerdings wegen seiner Tendenz zu leicht fatalistischen Stellungseinschätzungen irgendwann ausrastete und Simon erstmals in diesem Turnier zu “Plus 1″ verhalf:

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Tennert-Karrer nach 31.Lb1-c2

31…f5 war eine übertriebene Maßnahme, aber der Schwarzspieler hielt seine Stellung für so schlecht, dass er diesen Extremversuch, Aktivität zu entwickeln, als unabdingbar betrachtete. 31…La4 32.Lxa4 (32.Lxc5 Lxc2 stellt Weiß vor das Problem, seinen Läufer vernünftig in den Angriff zu integrieren) 32…Sxa4 wäre durchaus erträglich gewesen. 32.exf5 Dxh4 33.T6xh4 e4 34.Lxc5 Txc5 35.Lxe4 Ld7 36.Tf3 Ta5 37.f6 Txa2 38.h3 Kg8 39.Lxh7+ 1–0

Bei mir reichte es nur zum Remis, wobei ich damit noch gut bedient war:

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Müller-Zimmermann nach 31…Kd7-c8

Weiß muss auf einen eventuellen Konter …f6-f5 achten, aber ansonsten liegt das Heft des Handelns in seiner Hand. Wann sich die h-Linie öffnet ist seine Sache, und auch am Damenflügel kann eigentlich nur er mit a2-a3 und b3-b4 aktiv werden. Mit meinem nächsten Zug hole ich mich aber selbst, dabei kam ich mir so schlau vor, vor konkreten Maßnahmen noch Karpov-mäßig meinen König zu verbessern: 32.Kg2? Sxe4! Diese Idee hatte ich in den Zügen vorher regelmäßig berechnet, sie ging aber konkret nie. Hier habe ich aber mit meinem genialen Königszug selbst dafür gesorgt, denn im Falle von 33.Dxe4 f5 34.gxf5 gxf5 habe ich jetzt nicht 35.Dg2 mit der Gegendrohung 36.Tg8. 33.hxg6 hxg6 34.Dxe4 f5 35.gxf5 gxf5 36.Sxf5 Txf5 37.Tf3 Tef7 38.Txf5 Txf5 39.Dg4 Kb7

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Der Bauer f2 hängt, und ich muss noch einen Zug machen, um die Zeitkontrolle zu erreichen. Weiß sollte wegen seines unsicheren Königs versucht sein, a) soviel Feuerkraft wie möglich vom Brett zu nehmen und b) weitere schwächende Züge zu vermeiden. 40.f3? entspricht beiden Anforderungen nicht, aber ich konnte bei ablaufender Uhr das Bauernendspiel nach 40.Tf3 Txf3 41.Dxf3 Dxf3 42.Kxf3 b5 nicht berechnen. Glücklicherweise nahm mein Gegner selber die Damen vom Brett, weil er … 40…Tf7 41.De6 Dg7+ 42.Tg3 Dh7 43.Dg6 Dxg6 44.Txg6 Tf4

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… dieses Endspiel für gewonnen hielt. Hier konnte ich dann aber das Bauernendspiel berechnen und so die Drohung …Tf4-d4-d2 parieren. 45.Tg4 Txg4+ 46.fxg4 Kc8 47.Kf3 Kd7 48.Ke4 Ke7 49.Kf5 Kf7 50.Kg5 Kg7 51.Kf5 Kf7 Remis

In der siebten Runde kamen wir beide nicht über ein Remis hinaus, dabei hatte Simon einige gute Chancen zu mehr, z.B. hier:

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Tennert-Brodbeck nach 43…Tf7-d7

Nach 44.g6 Tg7 45.Tg5 steht der schwarze Turm erzpassiv, und Weiß sollte keine Probleme haben zu gewinnen. Nach der Partiefolge 44.Te5 d3 45.Te6+ Kc7 46.Te1 Td4 47.Td1 lief es anders herum; jetzt war der schwarze Turm der aktivere. Nach zehn weiteren (wahrscheinlich nicht tierisch genauen) Zügen wurde das Unentschieden vereinbart.

In Runde acht passierte mir etwas, dessen Zustandekommen mir wirklich einmal mehr schleierhaft ist - solche Aussetzer sind mir leider alles andere als fremd:

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Hirneise,T-Müller nach 65.Tc3-c4

Ich bin mir nicht sicher, ob die Zugzahl stimmt, denn ich hatte hier schon lange aufgehört, mitzuschreiben. Die Rekonstruktion fällt einigermaßen schwer, denn viele Züge meines Gegners glaubt man nicht so einfach; er hatte nämlich mit einer ganzen Reihe von Ungenauigkeiten aus einem einigermaßen einfach gewonnenem Turmendspiel das hier gemacht. Ich weiß nicht, wie oft ich das Remisprinzip dieser Stellung schon anderen Leuten erzählt habe, aber mit eigentlich noch komfortablen drei Minuten für den Rest der Partie (für ein theoretisches Endspiel, das man genau kennt, mehr als genug Zeit) spielte ich nach irgendeinem Turmzug, wahrscheinlich 65…Th8 und der weißen Antwort 66.Ka4 , nicht den einzigen Zug 66…Kd5, sondern reflexartig 66…Ta8+, wonach ich sofort hätte aufgeben können, mir aber sicherheitshalber noch den Brückenbau zeigen ließ. Das war nicht nur ganz und gar nicht unsere Runde - Simon brachte das andere Extrem und verlor in 21 Zügen - sondern auch nicht mein einzige Aussetzer an diesem Tag.
In der letzten Runde gab es für mich noch einen Pflichtsieg, auf den ich aber einigermaßen stolz bin, weil ich mich nach dem Desaster der Vorrunde trotz großer Schwierigkeiten nochmal motivieren konnte, auf Gewinn zu spielen. Simon holte ein Abschlussremis gegen WIM Mader. Eigentlich ein schöner Abschluss des Turniers, ordentliche 4,5 bzw. 6 Punkte, aber da war ja noch die Rückfahrt. Die lief überhaupt nicht gut. Nachdem wir in Stuttgart auf die A81 gefahren waren, auf der wir auch gekommen waren, hätte ich über Simons Bemerkung, da seien aber viele Schweizer unterwegs, vielleicht etwas näher nachdenken sollen. Erst angesichts des Hinweisschildes “Naturpark Schwarzwald Nord” wurde ich misstrauisch, und da fiel mir auch auf, dass die Sonne gerade rechts von uns unterging, anstatt, wie es sich gehört hätte, wenn man nach Norden fährt, links…
Naja, dauerte die Rückfahrt eben sieben statt fünf Stunden, Entschuldigung an meinen Leidensgenossen! Ich schätze, ein regelmäßiger Besucher dieses Blogs, mit dem ich von einem Trainerlehrgang in Berlin mal über Hamburg zurück nach Braunschweig gefahren bin, wird sich beim Lesen dieser Zeilen totlachen :)

2 Kommentare to “One and a half men am Neckarknie (II)”

  1. Bernd Kimmicham 29 Apr 2011 um 08:10

    Ja! Neckar-Open in Deizisau ist ein klasse Turnier. Nachahmenswert. Ich hoffe mal, das ich nächstes Jahr auch wieder dabeisein kann.
    Ein informativer und schöner Bericht über den heute Abend beim Grillen wohl noch zu quatschen sein wird.

  2. Alex Markgrafam 29 Apr 2011 um 08:50

    Endlich ist geklärt, warum wir immer die Abfahrt bei Baden-Baden verpasst haben! :-)

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