Feb 18 2011

Rumgepatze reloaded - SVG II in Hameln (besser spät als nie)

Veröffentlicht von Sebastian um 00:32 unter Mannschaft

Hameln war für mich ein Spielort, den ich nach den letztjährigen Erfahrungen aus dem Gedächtnis verbannt hatte. Eigentlich angereist, um der Ersten, zumindest hinsicht der Brettpunkte, ein wenig unter die Arme zu greifen, gab es die schlimmste Abreibung der letztjährigen Landesligasaison. Nach dem, zumindest in der Höhe, unverdienten Sieg gegen Bad Harzburg war ich eigentlich einigermaßen zuversichtlich was den Ausgang des Mannschaftskampfs anbelangte - irgendwann musste der Knoten schließlich platzen.

Es begann eigentlich auch recht vielversprechend. Während an den übrigen Brettern noch wenig bis gar nichts passiert war, hatte der Schreiber dieser Zeilen folgende Stellung auf dem Brett (Da ich mich beim besten Willen nicht mehr an die tatsächliche Reihenfolge der Partiebeendigungen erinnern kann, verkommt der Bericht jetzt ein wenig zur Sightseeingtour durch die Bretterlandschaft - man möge mir verzeihen):

brunotte_koenig.jpg
Brunotte, Peter (1968) - König, Sebastian (1921) nach 16. … Dc6

Schwarz hat in dieser Stellung schon keine Probleme mehr. Nach folgendem 17. c3 Da4: 18. La4: Sf3+ 19. Kg2 Sd2: 20. Td1+ Se4: 21. de: hätte ich aber ruhig nochmal für 5 Cent nachdenken dürfen und nicht à tempo das bei Da4: geplante 21. … Td8? spielen müssen, wonach der Mehrbauer nicht trivial zu verwerten ist. Eventuell wäre mir dann sogar aufgefallen, dass man ruhigen Gewissens 21. … d5! spielen kann.

An dieser Stelle muss ich wohl kaum erwähnen, dass ich nicht in der Lage war, die entstandene, trotzdem leicht bessere Stellung zu verwerten (remis nach 45 Zügen). Der eigentliche Knaller ist aber der hier:

brunotte_koenig2.jpg
Brunotte, Peter (1968) - König, Sebastian (1921) nach 34. Kf4:?

Ich spielte hier in vollständiger geistiger Umnachtung 34. … f5, was mehr oder weniger sofort remis ist, da Weiß den König nach b2/a2 und den Bauern nach a3 stellt und nicht mehr austempiert werden kann. Trotzdem ist die Stellung gewonnen. Einmal lösen ohne Engine, bitte!

Joachim hatte sich mittlerweile dezent von Gerhard Kaiser überspielen lassen, und streng genommen hatte ich die Null schon eingeplant - aber dann:

graf_kaiser.jpg
Graf, Joachim (2024) - Kaiser, Gerhard (2060) nach 35. e4

Nach normalen Zügen wie bspw. Th5 überlebt man die Stellung als Weißer kaum. Kaiser spielte aber dankenswerter Weise 35. … Ld6? - wonach 36. Th4 den h7 angreift und gleichzeitig Lf4 droht (remis, 41).

Wenn es einen Preis für den skurrilsten Partieverlauf gäbe, wüsste ich nicht welches der beiden folgenden Werke diesen mehr verdient hätte:

lau_kaiser.jpg
Lau, Siegfried (2024) - Kaiser, Jonas (1936) nach 18. de:

Schwarz misshandelte die Eröffnung ein wenig und wählte hier mit 18. … Se5: den objektiv besten Zug. Nun hätte, anstatt des sofortigen Schlagens des Turms, 19. de: den großen Vorteil festgehalten - aber natürlich steht Weiß auch nach 19. Le8: besser. Einige Züge später hatte sich das Blatt allerdings gewendet:

lau_kaiser2.jpg
Lau, Siegfried (2024) - Kaiser, Jonas (1936) nach 36. Dc1

Hier steht Weiß nach dem einfachen Sa3: auf Verlust. Schwarz fand aber mit wenig Zeit auf der Uhr nur 36. … Tc7, was nach 37. g5 Le7 38. Df4 Sa3: 39. Te7: Sc2:? 40. De5+ Kg8 41. Tb2 zu weißer Gewinnstellung führte (1-0, 51).

Das zweite Prachtexemplar dieses Mannschaftskampfes zelebrierte mein Vater:

krumschmidt_koenig.jpg
Krumschmidt (1664) - König, Walter (1727) nach 25. Df3

Sicherlich steht Schwarz hier schon sehr bedenklich und muss auch nach dem “erzwungenen” 25. … Sg7 noch leiden, aber der Partieverlauf 25. … Kg7 stellt nach 26. g4 einfach den Springer auf h5 ein. Danach ist der Ofen eigentlich aus. Wie gesagt - eigentlich. Nur vier Züge später stand die folgende Stellung auf dem Brett. Mein Vater hatte - nach dem Nehmen auf f4 , was zumindest etwas Material für den zum Tode geweihten Gaul erhält, einfach zielstrebig Sb6-a5-b2-d3 gespielt!

krumschmidt_koenig2.jpg
Krumschmidt (1664) - König, Walter (1727) nach 29. … Se3

Nun hängen gleich alle weißen Schwerfiguren und nach dem besten Zug 30. De3 auch noch der g4 mit Schach - Schwarz steht relativ deutlich besser. Die Struktur ist intakt und bei Zeiten kann der Durchbruch b3 unangenehm für den Weißen werden. Materiell ist mit Turm und zwei Bauern für zwei Leichtfiguren sowieso alles im grünen Bereich. Ich erinnere mich noch dunkel, dass mein Vater in dieser Stellung (oder nach De3?!) zu Andy kam und halbieren wollte bzw. ein Remisangebot erhalten hatte - ich aber vorlaut wie immer auf Weiterspielen pochte. Hätte ich gewusst, wie sich das Drama weiterentwickelte, ich hätte den halben Punkt wohl genommen. Denn nur wenige Züge später:

krumschmidt_koenig3.jpg
Krumschmidt (1664) - König, Walter (1727) nach 39. Tg1

Man kann geteilter Meinung sein, ob Schwarz die Basis der Bauernkette hätte geben müssen - die Kiste findet’s gut. An dieser Stelle gibt es einen ganz klaren Weg zum Gewinn für Schwarz. Allerdings ist die Variante nicht ganz so einfach zu sehen: 39. … b3! 40. ab: a2 41. Da7 Te2!! und Weiß kann die Uhr anhalten. Nimmt Weiß nicht auf b3 entscheidet der Bauer - nach b2 - die Partie. In der Partie folgte allerdings das - nennen wir es suboptimale - 39. … g5? 40. Dd6 Tf4? 41. Sg5: Dh4 42. Sf7#.

So far, so bad. Da Andy mittlerweile verloren und Ernst remisiert hatte, spielten, beim Stand von 3,5 - 2,5 gegen uns, nur noch Boris und das Jü. Auf besonderen Hesse’schen Wunsch nochmal ein paar Stellungen aus Pint - Hesse:

pint_hesse.jpg
Pint, Peter (1889)- Hesse, Jürgen (1945) nach 40. Dh2

Jü hatte sich das wohl als Aufgabe gedacht, denn Andy teilt mir in seiner E- Mail folgendes mit: “… Jü hätte auch nichts gegen ein zweites Diagramm einzuwenden, wobei er sich nicht recht entscheiden konnte, ob er lieber eines nach 40. Dh2 (und dem Text: “Wie schmeißt Schwarz hier die Partie einzügig weg?”) oder doch eher nach 42.- Da5 (mit dem Text: Wie gewinnt Weiß amschnellsten?”) nehmen würde.”

Also: “Wie schmeißt Schwarz hier die Partie einzügig weg?” (Es gibt mehr als einen Weg - ich denke aber nicht, dass Jü einzügige Klötzeeinsteller als richtige Antwort gelten lassen würde…)

Wie dem aufmerksamen Leser aufgefallen sein sollte, schreibt Andy im obigen, zitierten Abschnitt etwas von einem zweiten Diagramm. Angeblich soll nämlich folgende Stellung aus Jüs Läuferendspiel nach 70. … Kf6 remis sein - möglich, dass es die Siebensteiner schon als Tablebases gibt und dass dort ein forcierter Remisweg hinterlegt ist. Mein stumpfer Vierkerner (mit Fritz11) sieht hier allerdings keine Remischancen mehr - und Ich habe sowieso keine Ahnung von dem Spiel. Aber es bilde sich jeder seine Meinung:

pint_hesse2.jpg
Pint, Peter (1889)- Hesse, Jürgen (1945) nach dem theoretisch möglichen 70. … Kf6 (mit baldigem Remis)

Und da Boris sein Endspiel schließlich auch nicht gewinnen konnte: Hameln 5, SVG 3.

6 Kommentare to “Rumgepatze reloaded - SVG II in Hameln (besser spät als nie)”

  1. am 18 Feb 2011 um 15:31

    Anm. zum letzten Diagramm: Eine mögliche weitere Zugfolge wäre 71. Kc8 Kg5, 72. b7 Kf4, 73. b8 (D) Lxb8, 74. Kxb8 Kg3 75. Lh1 Kh2 oder 75. Lf1 Kf4. So, jetzt soll Basties Computer oder einer von Euch mal die entscheidende Verstärkung für Weiß finden und mitteilen, wie man ggf. doch gewinnen kann. Sonst habe ich mit 70… Ld4? halt (mal wieder) eine Remischance vertan.

  2. Sebastianam 18 Feb 2011 um 16:15

    @Jü: Du hast (mal wieder) eine Remischance vertan. Man sollte sich einfach nicht von stupiden Fritzbewertungen blenden lassen.

    @Irgendwer, der Ahnung hat: Warum verbastelt der Editor eigentlich die - nennen wir es Formatierung - nach Bearbeiten des Eintrags?

  3. Bernieam 19 Feb 2011 um 09:25

    Na Basti, dieser erfrischende Artikel zeigt mal wieder, wie unperfekt wir alle sind.
    Verzeihen brauchen wir dir sicher nicht, eher Loben für die unterhaltsamen Zeilen.

  4. Andyam 19 Feb 2011 um 16:13

    @Sebastian: Bist du zwischen Wysiwyg- und Texteditor gewechselt? Möglicherweise versucht Wordpress in solchen Fällen “mitzudenken”. Ist die “Formatierung” jetzt wieder ungefähr so wie sie sein soll?

    Der Kampf war wirklich reich an erwähnenswerten Klopfern, so dass man wirklich nicht alle mit einem Diagramm versehen kann. Die folgende Stellung ist mein persönliches Highlight:

    Barz-Klein nach 24. Sd5

    Oliver Barz gegen Andreas Klein nach 24. Sd5. Preisfrage: Wie macht Schwarz am Zug sofort remis? Wer nicht gleich darauf kommt, der findet vielleicht in der vollständigen Partienotation einen Tipp:

    Barz,Oliver (1964) - Klein,Andreas (2012) [C68]
    Verbandsliga 2010/2011 Niedersachsen/Bremen (5.2), 16.01.2011

    1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.Lxc6 dxc6 5.0-0 Le7 6.d4 exd4 7.Dxd4 Dxd4 8.Sxd4 (=) 8…Sf6 9.Sc3 c5 10.Sde2 b5 11.e5 Sd7 12.Sf4 Sb6 13.a4 b4 14.Scd5 Sxd5 15.Sxd5 Ld8 16.c4 b3 17.Lg5 Le6 18.Lxd8 Kxd8 19.Tfd1 Kc8 20.Ta3 Tb8 21.Se7+ Kb7 22.Txb3+ Ka8 23.Txb8+ Txb8 24.Sd5 (=) 24…Lxd5 25.cxd5 Txb2 26.Kf1 Kb7 27.e6 fxe6 28.dxe6 Tb6 29.e7 Te6 30.Te1 1-0

  5. Sebastianam 19 Feb 2011 um 16:32

    @Andy: Eigentlich hab ich alles im “what-you-see-is-what-you-get”- Editor gemacht, der auch die Absätze richtig darstellte, nur nach dem Speichern war’s dann wieder vergeigt…

    Sieht aber wieder brauchbar aus :-)

    On Topic: Das Diagramm hätte man auch auswählen können oder Boris’ Endspiel der, oder, oder… War einfach zu viel los…

  6. […] Joachim schon fertig war) neben mir, um jeweils eine Qualle zu gewinnen. Aber ich konnte leider (wieder mal) nicht “Ja” […]

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