Okt 16 2010

“Ich bin Atomoptimist”

Veröffentlicht von Michael Othmer um 23:56 unter Allgemein

Interview mit Fabian Müller, dem neuen Bezirksmeister

 
Herzlichen Glückwunsch zum dritten Bezirksmeistertitel! Wie bewertest du dein Ergebnis in diesem Turnier?

- Das Ergebnis war akzeptabel, aber meine Partien gefielen mir nicht. In der ersten entglitt mir eine aus der Eröffnung heraus bessere Stellung und im Endspiel stand ich einen Zug lang auf Verlust. In der vierten vergaß ich die entscheidende Hälfte meiner Heimanalysen. In der sechsten konnte ich nur unter wesentlicher Mithilfe meines Gegners gewinnen.

Die Teilnehmerzahl der diesjährigen Bezirksmeisterschaften ließ zu wünschen übrig. Was könnte man tun, um die Attraktivität der BEM zu erhöhen?

- Der Osten ist kein geeigneter Austragungsort für dieses Turnier! Das wurde mir am ersten Morgen klar, an dem ich Richtung Schöningen fahren musste. Die Sonne scheint einem direkt auf die Windschutzscheibe, die zu dieser Jahreszeit häufig bereits beschlagen ist. Abends dagegen, auf dem Weg zurück nach Westen, scheint sie einem wiederum auf die Windschutzscheibe. Ein inakzeptabler Zustand. Das könnte natürlich nicht die einzige Argumentation für einen zentraler gelegenen Austragungsort sein.

Ansonsten sind die Vereine gefordert, vor allem im Jugendbereich für höhere Teilnehmerzahlen zu sorgen. Trotz der massiven Bemühungen einiger weniger Vereine geschieht hier noch nicht genug.

Wie siehst du die Chancen der drei Aufsteiger (Plätze 1 und 2 Hauptturnier, Jugendbezirksmeister) im nächstjährigen Meisterturnier?

- Über Jürgen Garbuszus mache ich mir diesbezüglich gar keine Sorgen, er hätte ja bereits dieses Jahr problemlos im Feld des Meisterturniers bestehen können. Bernie Kimmichs Aufstieg kam etwas überraschend, wenn auch nicht unverdient. Sollte er aber weiterhin von der von ihm angestrebten IM-Form so weit entfernt bleiben, wird er es nächstes Jahr schwer haben. Nils Petras ist m. E. sehr ambitioniert, seine Partieanlage lässt aber ein wenig die normalerweise bei jungen Spielern vorherrschende taktische Komponente vermissen. Jedenfalls wird er bis zum nächsten Jahr sicherlich noch signifikante Fortschritte machen, sodass man seine Chancen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös einschätzen kann.

Wie zufrieden warst du mit den Partien deines Padawans?

- Simons Partien waren im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Den ein oder anderen kritischen Moment musste er zwar überstehen, aber seine Punktausbeute und die Qualität seines Spiels waren in Ordnung.

Was war dein bisher bestes Turnier?

- Was die Perfomance angeht, war mein bisher bestes Turnier das Wilhelm-Werner-Gedächtnisturnier 2009. Als gute Turniere blieben mir aber eher die Open im Gedächtnis, in denen ich alle Pflichtsiege eingefahren und auch gegen stärkere Gegnerschaft bestanden habe, z.B. diverse Nordhäuser Open.

Was war deine bisher beste Partie?

- Ich erinnere mich an keine einzige Partie, die, wie es so schön heißt, „aus einem Guss“ gewesen wäre. Es gibt aber eine Partie aus dem Jahre 1996, an die ich mich bis heute erinnere. Sicher nicht meine qualitativ beste, denn damals spielte ich erst seit einem Jahr Schach, aber eine für mich persönlich denkwürdige.

Hast du ein schachliches Vorbild oder einen Lieblingsspieler?

- Ich empfinde großen Respekt vor allen großen Spielern der Schachhistorie. Wenn ich mich auf wenige Lieblinge beschränken müsste, würde ich mich vielleicht für Kasparov wegen seiner Kompromisslosigkeit, Fischer wegen seiner Hingabe, und Botvinnik wegen seines umwälzenden wissenschaftlichen Beitrags entscheiden.

Welches ist dein liebstes Schachbuch?

- Mein erstes Schachbuch sicher nicht, das war „Neue Schacheröffnungen“ von Theo Schuster, mit bis heute traumatisierender Wirkung. Mein Lieblingsbuch ist, obwohl ich ziemlich auf Dvoretsky stehe, „Learn from the Legends“ von Mihail Marin.

Wann kommt eigentlich dein nächster Vortrag?

- Sobald genügend Leute darum gebeten haben.

Hast du bis dahin für unsere Leser einen Tipp zur Verbesserung ihrer Spielstärke?

- Hängt natürlich von der bestehenden Spielstärke ab. Rowson zitiert in einem seiner Bücher, wenn ich mich recht erinnere, einen FM Donaldson mit den Worten „If you are rated under 1800, your first name is tactics, your middle name is tactics, and your last name is tactics.” Ansonsten ist regelmäßiges Training der Variantenberechnung wohl ein vielversprechendes Mittel, die ummittelbaren Resultate zu verbessern.

Aus welchem Grund verzichtest du dieses Jahr auf die Teilnahme an der Vereinsmeisterschaft?

- Ich wollte diese Saison meine Wochenenden flexibler gestalten können. Außerdem habe ich letztes Jahr nicht gewonnen.

Ich nehme an, dass du jetzt Simon die Daumen drückst. Welche Konkurrenten muss er fürchten?

- Simon wird mit jeder Partie, die er spielt, besser. André ist vielleicht wegen seines Erfahrungsvorsprungs dieses Jahr noch ein ernsthafter Konkurrent.

Wie schätzt du die Chancen der SVG-Teams in ihren jeweiligen Ligen ein?

- Ich bin Atomoptimist.

Wie sähe für dich eine ideale Mannschaft aus?
8 x 9 = 72

Was sind deine schachlichen Pläne in naher Zukunft?
- Meine schachlichen Pläne in naher Zukunft sind eng mit dem Jugendschach verbunden. Sowohl im Verein als auch im Bezirk gibt es Defizite, die zu beseitigen ich gerne hilfreich sein würde. Außerdem möchte ich in naher Zukunft gerne mit Simon zu möglichst stark besetzten Turnieren fahren. Regelmäßiges Spiel gegen schlechte Gegnerschaft ist der Anker zur Mittelmäßigkeit.

Zum Schluss einige Fragen, die mit Schach nichts zu tun haben: Welches Buch liest du gerade?

- „Harry Potter und der Halbblutprinz“. Nicht dass ich das nicht schon mal gelesen hätte, aber vor ein paar Wochen kam mir der Gedanke, die ganze Reihe mal wieder zu lesen. Wegen der Detailverliebtheit der Autorin erlebt man auch beim wiederholten Lesen Überraschungen.

Welches ist dein nichtschachliches Lieblingsbuch?

- Da ich extremst belesen bin, fällt die Auswahl da sehr schwer. Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ käme jedenfalls in die engere Auswahl.

Hast du einen Lieblingsfilm?

- Ich mag Sagas. „Der Pate“, „Star Wars“, „Herr der Ringe“, voll mein Ding.

Auf welche Art von Musik stehst du?

- Mit zunehmendem Alter werde ich immer toleranter. Früher gab es für mich nur Classic Rock, und das ist nach wie vor mein Favorit. Das meiste andere schalte ich aber auch nicht ab.

Was sind deine Hobbies außer Schach?

- Poker, im wesentlichen online

Welche Frage würdest du dir gerne selbst stellen, und wie lautet deine Antwort darauf?

- „Was ist der Sinn des Lebens? – 42!“

Herr Bezirksmeister, vielen Dank für dieses Gespräch!

6 Kommentare to ““Ich bin Atomoptimist””

  1. Renéam 17 Okt 2010 um 10:06

    “Regelmäßiges Spiel gegen schlechte Gegnerschaft ist der Anker zur Mittelmäßigkeit.”

    ^^Ist der von dir? Wenn ja, sollt der Spruch in die Geschichtsbücher eingehen. :)

  2. Ottiam 17 Okt 2010 um 11:52

    Fabian hat spontan geantwortet. Wenn er bewusst Zitate verwendet, gibt er in der Regel gleich die Quelle an.

  3. Renéam 17 Okt 2010 um 12:14

    Oft sind die eigenen Kreationen auch die besten. :)

  4. Fabianam 17 Okt 2010 um 17:01

    René, ich stimme mit deiner Einschätzung bezüglich der Geschichtsbücher völlig überein.

  5. Bernd Kimmicham 18 Okt 2010 um 09:01

    Ein aussergewöhnlicher Blogbeitrag mit interessanten Facetten.
    Den Ausdruck “Atomoptimist” hab ich in diesem Zusammenhang noch nicht gehört. lediglich

    http://www.solarregio.de/index.php?option=com_content&view=article&id=192&Itemid=77 oder

    http://shakiraparadise.altervista.org/php5/_images/indexw.html oder

    http://hagen2009.gruene-ldk.de/files/2009/03/a-1-resolution-atomenergie.pdf

    sind diesbezüglich Angaben gemacht. Welche davon Fabian am Nächsten kommt? -;)

    Auch auf die eigene Frage nach dem “Sinn des Lebens” mit 42 zu antworten ist doch sehr spezifisch und weckt bei mir den Eindruck, das man primär prüfen möchte, ob der Leser dieser Zeilen diese auch bis zum Ende verinnerlicht hat.

    Mit der Formel stimme ich zu 100% übereien. Sie ist NICHT NUR mathematisch korrekt…Welcome in the team!

  6. Fabianam 18 Okt 2010 um 13:12

    Ich war zwar zu faul, das alles zu lesen, aber im Zweifelsfall nehme ich die Shakiraseite. Auf der Suche nach einer Analogie, um die Bedeutung der Wortschöpfung “Atomoptimist” (entstanden, wenn ich mich nicht irre, bei der Norddeutschen Mannschaftsmeisterschaft 2009) klarer zu machen, habe ich festgestellt, dass eine interessante Domain momentan zu haben ist. Der Preis ist mir allerdings zu hoch :)

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