Dez 06 2009

Lebt denn der alte Holzschieber noch …

Veröffentlicht von Stefan Breuer um 17:32 unter Überregional

“Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch das Pech dazu …”  (Jürgen Wegmann, ehemals VFL Bochum)

Jaaaaaa, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch!
Auch wenn die meisten Blogger mein glorreiches Abschneiden bei der gestrigen Deutschen Blitzeinzelmeisterschaft bereits bewundert haben werden, präsentiere ich im Folgenden ergänzend noch einen kurzen Hintergrundbericht. Mein Therapeut sagt schließlich, dass man die Dinge so am besten verarbeitet …
Meine dritte Teilnahme an dieser Veranstaltung führte mich wieder einmal quer durch die Republik: Insgesamt fünf Bundesländer streiften meinen Weg auf der 468 km langen Strecke nach Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern). Was tut man nicht alles für sein Hobby …
Angesichts des Teilnehmerfeldes war ich mental auf das Schlimmste vorbereitet, war die Meisterschaft - nach einhelliger Meinung aller Teilnehmenden - doch so stark besetzt wie schon lange nicht mehr: 5 GMs, 13 IMs, 8 FMs und 6 Titellose fanden sich ein, um den Titel und das Siegerpreisgeld von 600€ unter sich auszumachen.
Nach einer erfrischend kurzen Begrüßung durch den Vorsitzenden des ausrichtenden Vereins, den Bürgermeister Neumarkts sowie den Landrat, der uns “sein” Amt als sehr angemessenen Spielort zur Verfügung gestellt hatte, ging es los. 15 Partien begannen unter dem Blitzlichtgewitter der einheimischen Presse vor geschätzt 50 Zuschauern. 15 Partien? Genau! Einer durfte noch nicht ran, weil sein Gegner - Matthias Schöwel - Probleme mit der Bahn hatte und somit später ankam. Jetzt ratet mal, wen es traf … (Mein Angebot, die Partie am Ende nachzuholen, wurde vom Turnierleiter übrigens aus Zeitgründen abgelehnt.) Mit Kaltstart ging ich also in der zweiten Runde gegen IM Thies Heinemann ans Werk. Diese Partie war ein Fingerzeig für das, was noch kommen sollte: Bei in etwa ausgeglichener Stellung hatte ich noch ca. 1,5 Min., mein Gegner aber nur noch ca. 35 Sek. Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen ich so etwas gemütlich nach Hause geschaukelt habe … Diesem Auftakt ließ ich noch eine “lange Rochade” folgen, bis ich in der 6. Runde mit einem Sieg gegen IM Kopylov erstmals per Leistung Punkte einfahren konnte. Eine wirkliche Trendwende war das allerdings nicht, wie jeder, der es möchte, der Kreuztabelle entnehmen kann.
Auf der langen Rückfahrt heute, hatte ich Zeit genug, mir das Ergebnis schönzureden. Das ging etwa so: “Mensch, gegen GM Prusikin, GM Stangl, IM Kopylov, IM Heidenfeld, IM Maier, IM Womacka und IM Zude hast du doch schließlich 6,5/7 geholt! Dazu noch sehr ordentliche Partien gegen GM Bezold und GM Bischoff! Was willst du eigentlich?” “Naja, 1/7 gegen die anderen FMs ist nicht das, was man als Erfolg bezeichet … Wenn dann auch nur 50% gegen die Titellosen dazukommen, könnte man glatt von einer Enttäuschung reden!” Interessanterweise hatte ich dasselbe Phänomen bereits bei vergleichbaren Bltzturnieren ausgemacht: Gegen die IMs stand ich häufig ganz gut da, gegen die FMs hingegen katastrophal. Dafür kann es meiner Meinung nach nur zwei Gründe geben: 1. FMs blitzen einfach besser als IMs oder 2. Es handelt sich um einen klaren Fall von Gegnerunterschätzung. These 1 wird nicht nur durch meine Person widerlegt, sondern auch durch das Endergebnis dieser Meisterschaft (vgl. Tabelle). Also trifft These 2 zu, die natürlich so gemeint ist, dass ich der Unterschätzte bin und nicht der Unterschätzer. Alles klar?!
Was soll’s, es zählt schließlich der Spaß am Spiel! Und wer hat den nicht, wenn er gerade dreimal hintereinander verloren hat, bei 7,5/24 steht und dann in den nächsten drei Runden auf GM Rabiega, IM Zude und GM Bischoff trifft … Zumal dabei natürlich auch noch die Fernsehkamera stets den Favoriten GM Bischoff bei seiner Titelverteidigung im Visier hat …
Doch erstaunlicherweise konnte ich den souveränen Turniersieger tatsächlich ins Schwitzen bringen. In einem Königsinder ließ er sich als Weißer positionell überspielen (Nein, ich kann wirklich nicht erklären, wie das technisch möglich war …), doch mit zunehmender Zeitverknappung verzettelte ich mich und erlag schließlich dem Konterangriff. Bezeichnend für meine schachlichen Sehfertigkeiten gestern war Bischoffs Direktkommentar nach der Partie, als er durchgeschnauft hatte und ich ihn fragte, ob er etwas Konkretes für mich gesehen hatte: “Nicht direkt, aber wenn du einfach den Bauern auf h2 mitnimmst, anstatt so kompliziert zu spielen, hätte ich in das Endspiel mit Minusbauern gehen müssen, in dem ich keine Freude gehabt hätte.” Recht hat er natürlich, aber dass der Bauer h2 einfach hing (2x angegriffen, aber nur 1x gedeckt), hatte ich nicht einmal gesehen … :-) Mein größtes Highlight stammt jedoch aus Runde 23: IM Reich gegen FM Breuer. Weißer Läufer auf e3, schwarzer Springer auf b6, gedeckt durch die Dame auf d8. Der FM zieht selbstbewusst Dd8-e7 (Keine Zeitnot). Der IM zieht irgendwas (Keine Zeitnot), der FM zieht irgendwas, der IM zieht irgendwas, der FM zieht irgendwas. Der IM schüttelt den Kopf und spielt Lxb6. Der FM schüttelt den Kopf. Die Blicke treffen sich. Gegenseitiges Lächeln und Kopfschütteln. Der FM gibt auf.
Alle weiteren Patzer behalte ich zunächst für mich für mein in Kürze erscheinendes Buch “Vom FM zum PM - eine Gebrauchsanweisung”.
Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Das Turnier hat mir trotz meines 28. Platzes tatsächlich viel Spaß gemacht. Es war perfekt organisiert und wurde in bewährter Weise vom Bundesturnierdiektor Ralph Alt durchgeführt. Zum “Après-Schach” gab es in geselliger Runde mit (fast) allen Teilnehmern Braten mit echten bayerischen Knödeln und für mich Alster (äh: Radler, ‘tschuldigung!). Was dabei für mich immer wieder faszinierend ist, ist die Ansammlung an allen möglichen Dialekten unseres Landes. Alle können so sprechen, dass ich sie nicht verstehe, nur ich nicht (”‘tschuldigung, ich kann nur hochdeutsch …”). Den Einwand des besten titellosen Spielers, Axel Neffe, der zur Zeit in Berlin lebt und meint, auch hochdeutsch zu sprechen, nahm ich mich höflichem Lächeln zur Kenntnis: “Mänsch, ich doch auch. Ich komm’ doch aus Hammborch!”
Dass es ergebnistechnisch auch wesentlich schlimmer hätte kommen können, zeigt das Beispiel des Ausrichter-Teilnehmers, der immerhin eine DWZ von knapp 2000 und eine ELO von 2114 hat: In 31 Partien kam er “nur” auf vier Remisen, aber auch diese muss man sich in diesem Feld erst einmal sehr, sehr hart verdienen … Dass ein starker Blitzer wie IM Kopylov, der bei der Norddeutschen noch Zweiter vor IM Schneider war, nur 20. wird, sagt einiges über die Stärke des Turniers und die Bedeutung des “Tagesform” aus. Kleines Detail am Rande: Ich selbst habe sage und schreibe 7 Partien beobachtet (und z.T. auch gespielt), bei denen mit noch einer (!) eigenen Sekunde die Zeitüberschreitung des Gegners reklamiert wurde. Das nennt man wohl “gutes Timing” …
Streitfälle gab es meines Wissens überhaupt keine, so dass das Ganze in echter Harmonie ablief.
Das Siegertrio GM Bischoff, GM Bezold und IM Schneider (vielen sicherlich noch aus seiner Zeit beim HSK-Post Hannover bekannt), setzte sich deutlich vom “Rest”des Feldes ab. Rekordblitzmeister Bischoff fuhr verdient seinen 11. Titel ein, wobei es mir ein absolutes Rätsel ist, wie man in diesem Feld 27/31 holen kann. “Ich habe in 31 Partien nichts geopfert, aber vieles mitgenommen!”, kommentierte der Großmeister seinen Erfolg beim anschließenden Essen.
Ach so geht das! Na dann weiß ich fürs nächste Mal (so es das für mich geben wird …) ja Bescheid … :-)
Zum Abschluss noch einmal die Zusammenfassung für das lechzende Phrasenschwein:
Nicht alle Blütenträume reiften, aber vielleicht hingen die Trauben für mich auch einfach zu hoch. Angesichts der Highlights ist weniger manchmal eben doch mehr, und man muss mit dem Erreichten einfach auch mal zufrieden sein, auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt. (Macht 2,50€,oder?)
P.S.: Ich bitte darum, beim kommenden Vereinsabend von Beileidsbekundungen (und erst recht von Gratulationen) Abstand zu nehmen. Mein Therapeut sagt, ich muss erst einmal selbst mit mir und meiner Leistung im Reinen sein …

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