Apr 08 2012

Harmonie ist das Stichwort

Veröffentlicht von Fabian um 12:42 unter Jugend

Die Hand Gottes! - Oder sein Mittelfinger!

Wortwechsel aus dem Film “Borgia”

 

Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist! Die vier Worte in der Überschrift, sinngemäß oder vielleicht sogar wörtlich Partiekommentaren GM Kogans entnommen, wirkten wahre Wunder auf Simons Spiel, als wir uns mit ihnen bei der LJEM auf seine Zweitrundenpartie vorbereiteten. Tatsächlich schien Simon in den folgenden Partien einen großen Schritt fort vom Materialismus Richtung besseres Schachverständnis zu machen. Leider ging die Harmonie in den letzten zwei Runden verloren :).

Eine Schlüsselpartie war die der sechsten Runde gegen Philipp Kyas. Eine kaum gespielte Nebenvariante, in der Simon früh hätte gewinnen können. Taktikaufgabe: Wie? Zwei Möglichkeiten (Lösung unten)!

tennert-kyas-nach-13sb4.jpg
Runde 6 Tennert-Kyas nach 13…Sc6-b4

Statt des Gewinns kam nach 14.Se4? Txg7 die nette Taktik 15.Ld2, die aber nach der forcierten Folge 15…Dxh5 16.Sf6+ Ke7 17.Sxh5 Txg2+ 18.Kxg2 Sxc2 zu einem asymmetrischen Materialverhältnis führte, das sich eher leichter mit Schwarz spielt. Es bedurfte eines groben Fehlers seitens Philipp, die spätere schwarze Gewinnstellung noch in einen ganzen Punkt für Weiß umzuwandeln (1-0,82.). Wer kennt diese Partien nicht, wo man 30 Züge lang auf Gewinn steht, um am Ende einen Patzer einzubauen, der einem mit Superfisch nie passiert wäre? Statt der Notation hier der Partieverlauf in Filmform (Simon ist links):
 

 
Ein schneller Punkt in der siebten Runde bedeuteten 6,5/7 und damit ein scheinbar sicheres Polster auf den bei 5,5/7 notierenden Zweitplazierten. Leider war dann in der Vorschlussrunde viel zuviel Sicherheitsdenken im Spiel. Wenn man dem Gegner keinerlei Probleme stellt, resultiert das in aller Regel in einem Verlust - so auch gegen Maurice Finke. In der Schlussrunde überspielte Simon zwar Lukas Beinke, verlor aber dann den Faden und konnte mit Remis noch sehr zufrieden sein. Gut, dass er in den ersten sieben Runden so viele Punkte gehamstert hatte und die Konkurrenz im Schlussspurt ebenfalls noch Federn ließ. Ein in letzter Minute vergebener Landesmeistertitel (2009 in der U12) reicht doch wirklich aus ;).

Theo hatte ich in der U10 bei seiner ersten LJEM durchaus das Erreichen eines der drei Qualifikationsplätze für die DEM zugetraut. Hier mal ein Partiefragment, das zeigt warum:

helmer-lau-nach-16dc3.jpg
Runde 5 Helmer-Lau nach 16.Dc2-c3

16…e5! war superstark - der weiße König schafft es nicht mehr aus der sich öffnenden Mitte raus. Der Versuch 17.Lg2 und der Absicht 18.0-0 wird mit 17…Lg4 gekontert. Partiefortsetzung war 17.fxe5 Sdxe5, wonach sich die schwarzen Drohungen häuften: …Le4,…Sd3,…Dxd6… (0-1,26.).

Deutlich mehr als der sechste Platz mit 7,5 Punkten wäre möglicherweise für Theo drin gewesen, wäre ihm in der sechsten Runde gegen den absoluten Turnierfavoriten kein halber, sondern ein ganzer Punkt eingetragen worden. Fakt ist, dass Theo Doppelturmendspiele, in denen er im nächsten Zug einen der gegnerischen Türme gewinnt, nicht absichtlich Remis gibt :). Fakt ist, dass Theo die ihm entgegengestreckte Hand als Aufgabe interpretierte :). Fakt ist, dass Theo leider nicht über genügend Turniererfahrung verfügt, um in kritischen Momenten auf dem Hinzuziehen eines Schiedsrichters zu bestehen :). So stand, als die beiden Spieler den Turniersaal verließen, statt einer Flow erzeugenden Eins eben nur ein in diesem Kontext enttäuschendes Remis zu Buche :(. Naja, nochmal passiert ihm das sicher nicht, und wenn ich ein Zocker wäre, würde ich einiges darauf setzen, dass auch Theo irgendwann in den nächsten Jahren Landesmeister wird!
 
P.S.: Die vielen Smilies im letzten Absatz sind in erster Linie Smilies. In zweiter Linie sind sie ein Insider. In dritter Linie sollen sie behilflich sein, nicht mit §186 StGb in Konflikt zu geraten. Und das ist schon wieder ein Insider ;).
 
Lösung zu Tennert-Kyas: 14.Txe6! Dxe6 15.Sf3!, wonach die Drohung Te1 nur mittels 15…Sxc2 abgewehrt werden kann, worauf aber 16.Dxh7 mit Doppelangriff auf g8 und c2 gewinnt.
Die zweite gute Möglichkeit war 14.Sf3 mit den Drohungen Txe6 und Sxd4 - ebenfalls mit Gewinn.

8 Kommentare to “Harmonie ist das Stichwort”

  1. Ottiam 09 Apr 2012 um 01:22

    Vielen Dank, Fabian! Berichte aus erster Hand werden immer gern gelesen und scheinen in letzter Zeit seltener zu werden.

  2. Simonam 09 Apr 2012 um 11:19

    Fabian sag mal habe ich irgendetwas nicht mitbekommen bei der Lem oder wurde Till der 1 Platz wieder aberkannt ? Denn auf der Lingener Seite ist zu erfahren, dass Thorben in der U18 Landesmeister ist!
    http://www.sv-lingen.de/

  3. 5.2.5 Platzierungam 09 Apr 2012 um 13:51

    Bei Punktgleichheit wird die Platzierung durch Zweitwertung ermittelt. Für Rundenturniere ist dies die Sonneborn-Berger-Wertung, für Schweizer-System-Turniere die mittlere Buchholz. Etwaige notwendig werdende Stichkämpfe bei Wertungsgleichheit werden direkt nach der letzten Runde mit verkürzter Bedenkzeit durchgeführt. Auf allen Plätzen ab Platz 4, auf denen nicht über Titel oder Qualifikationen entschieden wird, gibt es gemeinsame Platzierungen.

    Till hat den Stichkampf gewonnen und ist somit Landesmeister. Thorben ist erster Verlierer ;-)

  4. Fabianam 11 Apr 2012 um 20:42

    @Otti: Ähm, ähm, ähm,… Schnauze!

  5. Raineram 07 Jun 2012 um 22:50

    Leider wurde ich erst jetzt habe ich diesen Bericht aufmerksam gemacht, sonst hätte ich mit Sicherheit schon eher –quasi direkt - darauf reagiert… :)
    Dieser Bericht ist für mich ein klassischer Fall von “wie es mir erzählt wurde“. Ich hatte die Begebenheiten der Partie Theo-Sven völlig anders gehört und mich schon entsprechend darüber geärgert. Laut Sven war eine „normale“ Partie – also mit nachdenken und so – gegen Theo relativ schwierig :).
    Fakt ist, dass Theo schon vor der Partie anfing Sven und auch die an den angrenzenden Tischen spielenden Kinder mit Faxen und Reden abzulenken. Dies wurde mir im Nachhinein von den anderen Kindern bestätigt. Etwa alle zwei Züge bot Theo remis an, meistens mit einem rüber reichen der Hand übers Brett :). Auch aus dem (zum Glück vom Spielbereich räumlich getrennten) Zuschauerbereich konnte man dies gut beobachten.
    Leider verfügte Sven anscheinend nicht über soviel Turniererfahrung, um bei einer wichtigen Partie gegen eine starken Gegner in kritischen Momenten (wo durchaus nachdenken angesagt aber nicht möglich ist) den Schiedsrichter hinzuzuziehen, der dann einmal für Ruhe sorgt. Beim nächsten Mal wird er in einer solchen Situation (hoffentlich) anders reagieren.
    Fakt ist auch, dass Sven eigentlich die ganze Partie über auf Gewinn stand und nur durch eine Unkonzentriertheit (vielleicht bedingt durch die permanente Ablenkung?) in eine schlechte Stellung gelangte. Als Sven dies erkannte, bot er halt remis an, welches von Theo auch umgehend angenommen wurde, er sah damit auch recht zufrieden aus. Auch das Remisangebot wurde von anderen Kindern bestätigt. Als Theo anschließend (noch im Turniersaal, von anderen Kindern) der für ihn relativ leichte Gewinnweg gezeigt wurde, war er wahrscheinlich enttäuscht. Enttäuscht war auch Sven.

    Naja, nochmal passiert Sven (und Theo) das sicher nicht. Und bevor man mit dem “Insider“ §186 kommt, sollte man sich beide Seiten anhören… ;) und bei den Smilies habe ich mir nichts gedacht, ist also kein Insider… :)

  6. Fabianam 07 Jun 2012 um 23:04

    Hallo Rainer,

    ich hoffe, wir trinken demnächst mal zusammen ein Bier. Eine Mail schicke ich vorab ;)

  7. Raineram 07 Jun 2012 um 23:10

    Aber immer… :)
    Grüße aus Nordhorn!

  8. biertrinkeram 09 Jun 2012 um 16:17

    Bier ! HEUTE lecker und günstig in LWIW (Ukraine)
    1,50 € für den halten Liter

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