Nov 27 2011

Alle Jahre wieder…(”Auswärtssieg” der Dritten in der Verbandsliga)

Veröffentlicht von Stefan Langenfeld um 22:09 unter Mannschaft

…kommt es in der Verbandsliga Ost zum vereinsinternen Duell zwischen der favorisierten Zweiten und unserer abstiegsbedrohten Dritten. Zuletzt konnten wir am 26. September 2010 einen 4:4 “Auswärtssieg” feiern.

Am vergangenen Sonntag (20.11.2011) stand diese brisante Paarung erneut auf der Tagesordnung - der Letzte gegen den Tabellenführer - David gegen Goliath. Wie würden wir uns diesmal schlagen? Anfänglich wurde noch gefrotzelt, wo denn die Toilette sei oder etwa die Getränke und die dazugehörige Kasse sich befänden. Dann ging es aber schnell wesentlich seriöser in den Zweikampf.

11:58 Uhr: Kosche meldet Remis an Brett 5.  In der Bremer Eröffnung kam es sehr schnell zum Tausch sämtlicher Schwerfiguren auf der offenen d-Linie. In der Schlussstellung nach 22….e4 ist laut Kosche “überhaupt gar nichts mehr los”, und Rybka und mir fehlt es da ebenso an Fantasie, welchen Gewinnplan Schwarz hier herbeizaubern kann, aber seht selbst (Stellung nach 22….e4):

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Ui, ui, ui; wie sollten wir diese Punkteteilung werten. Gut für uns oder schlecht, dass dies so früh geschah. An den Brettern 6-8 hatte ich aufgrund kollektiver Raumnot unserer Mannen zu diesem Zeitpunkt ein ungutes Gefühl.

13:05 Uhr: Herbert, gefürchtet ob seiner zügigen Spielweise, reicht an Brett 7 die Hand zur Aufgabe. Im Holländer opfert er zunächst mutig einen Bauern und dann später unter der Last des von seinem Gegner stark vorgetragenen Königsangriffs noch tapfer eine Qualität. Allein, heute reicht es leider nicht gegen einen Gegner, der seinen Vorteil bis zum Sieg im 44. Zug sukzessive ausbaut. Nur Mut Herbert, beim nächsten Mal klappt das bestimmt wieder besser.

13:06 Uhr: Andreas unterliegt mit Schwarz den exzellenten Theoriekenntnissen seines Gegners im klassischen Sizilianer und dem sehr früh in der Partie entstandenen Sargnagel auf d6, so dass die Mattdrohung im 23. mit der Dame-Läufer-Batterie wahlweise auf g7 oder h8 zum alles entscheidenden Materialgewinn und damit zu der sich bereits abzeichnenden Niederlage führt. Kopf hoch Andreas, beim nächsten Mal wirst Du wieder punkten.

13:55 Uhr: Christian bringt uns mit seinem Sieg an Brett 1 wieder ran. Sein Gegner wählt im Damengambit ohne 3.Sc3, das mich nach 5….c5 an die Tarrasch-Verteidigung erinnert, und dem frühen Damentausch, im 9. einen recht zweifelhaften Zug, der einen Bauern einstellt. In der Folge baut Christian seine Bauernmehrheit am Damenflügel so vielversprechend aus, dass sich Schwarz genötigt sieht, im 23. die Qualität zu opfern.

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Stellung nach 23. Sb6.

Interessant finde ich auch Christians Idee, den h1-Turm über h5 ins Spiel zu bringen. Kritisch wurde es aus meiner Sicht nochmal in der folgenden Stellung nach 28. Tb5.

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Stellung nach 28. Tb5.

Ich meine jedoch, dass Christian an diesem Tag auch gewonnen hätte, wenn Schwarz hier mit 28….Ta8 dem Turmtausch auf b5 aus dem Weg gegangen wäre, genauso wie er auch in der Partiefolge seinen Vorteil Zug um Zug bis zum Gewinn im 52. ummünzte. Hier noch die aus meiner Sicht sehenswerte Schlussstellung:

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Stellung nach 52. f5.

14:20 Uhr: Volker gibt im 42. mit dem König in vorderster Front und im Gewitter gegnerischer Figuren auf. Volker kommt heute mit keinem seiner Steine über die vierte Reihe hinaus, was letztendlich seinem wie üblich souverän aufspielenden Gegner den Sieg beschehrt. An den nächsten Spieltagen wirst Du sicherlich wieder an die Stärken und Erfolge der vergangenen Saison anknüpfen, Volker.

Wie der Mannschaftsführer der Zweiten an anderer Stelle bereits erwähnte (”Und der Zwischenstand bei uns um 14:20 Uhr: SVG II 3,5 SVG III 1,5. Allerdings waren da die drei verbliebenen Partien schon hoffnungslos…”), mussten wir uns trotz des Rückstandes keine allzugroßen Sorgen machen.

14:41 Uhr: Bernie (Captain, mein Captain), unser nie verzagender Kämpfer, verkürzt auf 3,5:2,5. Er nahm das Damengambit seines Gegners an und verteidigte dann seinen Bauern auf c4, der sogar im Endspiel mit ausschlaggebender Faktor bei der anstehenden Promotion eines Freibauern am Damenflügel war. Auffällig auch, dass sein durchweg “schlechter” Damenläufer, weil von eigenen Bauern auf weißen Feldern ständig gehemmt, im Endspiel groß rauskam. Mehrfach in der Partie stand Bernie jedoch - um es vorsichtig auszudrücken - bedenklich, so z.B. nach 10….0-0 oder nach 30….Da4 (dazu später mehr).

Nachdem sich sein Gegner im 29. mit der Punkteteilung durch dreimalige Stellungswiederholung nicht zufrieden geben wollte, opferte Bernie seinerseits tollkühn sogar die Qualität, was zumindestens zum Ausgleich genügen sollte. Nicht jedoch nach 30….Da4?:

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Stellung nach 30….Da4?

Wie kann Weiß jetzt entscheidenden Vorteil erlangen? (Auflösung am Trainingsabend)

Die Schlussstellung bei Bernie, die er nach seinem Patzer im 30. nervenstark und konsequent anstrebte und erreichte, ist mir unter der Überschrift “Die Bauern machen das Rennen”ein Diagramm wert, auch wenn ich damit den Speicherplatz auf dem Server erheblich belaste:

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Sellung nach 52….b3+.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich meinen Eindruck, dass Bernies Gegner hier ziemlich entnervt, kopfschüttelnd und wortkarg aufgab!

15:36 Uhr: Lars, der mir kurz zuvor in sicherer Erwartung unseres Sieges aufgrund seiner und meiner Stellung schelmisch “ein Au gepetzt” hat  - wie der Saarländer sagt - (zu Deutsch: zuzwinkern, ein Auge zukneifen), macht den Ausgleich. In der skandinavischen Eröffnung mit heterogenen Rochade läuft die Partie lange innerhalb der Remisbreite, bis Lars von einem Überseher im 39. Zug von Weiß, der sich in starker Zeitnot befindet, profitiert und die Qualität gewinnt. Folgende Stellung möchte ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten:

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Stellung nach 58. Se3.

Nach dem folgenden 58….a4 59. Kd1 axb3 60. axb3 Ta8 61. Lf2 Ta2 dringen beide Türme in die gegnerische Stellung ein und es geht rasch zu Ende.

15:46 Uhr: Stefan vollstreckt zum 4,5:3,5-Sieg der Dritten gegen meinen Angstgegner aus der letztjährigen VM, wo er mich in der letzten Runde mit dem Skandinavier gefoppt hatte. Diesmal wählt er wie erwartet die Russische Eröffnung und verpasst bereits im 8. Zug die - sagen wir mal - aus meiner Sicht planmäßigere Fortsetzung g6. Aus der Eröffnung heraus komme ich gut ins Spiel, verspiele den Minimalst-Vorteil jedoch im Mittelspiel wieder, ohne die Remisbreite zu verlassen. Nach einigem Abtausch erhalte ich überraschend im 27. Zug ein Remisangebot. Nach Rücksprache mit meinem Captain, mein Captain, auf den ich bei 11 Minuten Restbedenkzeit lange warten muss, da sich dieser selbst am Zug befindet, entscheide ich mich für´s Weiterspielen. Justament mit dem unmittelbar vor dem Remisangebot ausgeführten letzten Zug stellt Schwarz nämlich einen Bauern ein. Man sehe:

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Stellung nach 27….Te6? Wie gewinnt Weiß jetzt einen Bauern? (Tip: Beachte die Grundreihenschwäche von Schwarz)

Das nach nicht erzwungenem Turmtausch resultierende Springerendspiel mit Mehrbauer ist eine Frage der Technik und war leichter zu gewinnen als ich dachte, obwohl ich sicher nicht immer die genaueste Fortsetzung gefunden habe.

So, das war´s. Tabellenletzter sind wir immer noch, aber jetzt kann uns keiner mehr auf dem Weg nach oben stoppen, und die Zweite wird, da bin ich zutiefst von überzeugt, trotz oder gerade wegen dieser Niederlage aufsteigen. Gehabt Euch wohl da draußen, wo immer Ihr seid. Jetzt freue ich mich auf reichlich kritische Kommentare und die Gegendarstellung ;-)

3 Kommentare to “Alle Jahre wieder…(”Auswärtssieg” der Dritten in der Verbandsliga)”

  1. Bernd Kimmicham 29 Nov 2011 um 07:48

    Der Bericht spricht mir aus der Seele und daher ist eine Gegendarstellung unnötig. Diese wäre nur angebracht, wenn unser grandioser Sieg in einem Bericht eines “Zweitmannschaftsspielers” mit Glück in Verbindung gebracht worden wäre.

    Zu meinem 30. …. Da4??: das ist sicher ein ganz schlechter; wenn jedoch sowohl Basti als mein Gegner, genauso wie Kibitze und Analyseteilnehmer den “einfachen” 31. Txc4! nicht mal in Erwägung ziehen, muss ein solcher Zug wohl “irgendwie ausgeschlossen” (gedanklich) sein.
    Ein solcher Zug wird oft nur berechnet, wenn:
    – ein Diagramm mit dem Hinweis: Weiss zieht und gewinnt
    – man eh eine schon klar verlorene Stellung hat dem Brett hat und verzweifelt nach Einschlägen sucht
    – man einfach ZU GUT ist

    In dieser Situation, in der man als Weisser aber strukturelle Positionsvorteile sowie die insgesamt trotz 2 Minusbauern besser stehenden Figuren hat und vorher einem Remis ausgewichen ist, die “bessere Zahl” und einen unklar ausgehenden Mannschaftskampf vor sich hat; im Kopf 2 blöde Niederlagen in vorherigen Spielen herumgeistern und unbedingt gewinnen will, fällt ein solcher Zug nicht unbedingt sofort ins Auge. Gerade auch hier, wo die Remisbreite auch mit anderen Zügen nicht verlassen wird.
    Schach hat viel mit Psychologie zu tun………
    Sorry Stefan, aber gleich nen ganzen Trainigsabend für diesen Zug halte ich für etwas übertrieben. -;)

  2. Stefan L.am 29 Nov 2011 um 16:37

    Nee Bernd, nicht nen ganzen Trainingsabend am Trainingsabend. DIE AUFLÖSUNG

  3. Stefan L.am 29 Nov 2011 um 16:39

    …nur die Auflösung - sollte ne Sache von wenigen Minuten sein, bzw. war ja schon am vergangenen Freitag.

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