Jul 16 2010

Simon & Simon in Vellmar

Veröffentlicht von Fabian um 00:07 unter Turniere

Zum zweiten Mal fanden dieses Jahr in Vellmar, einer Stadt in direkter Nachbarschaft zu Kassel, die Kasseler Schachtage statt. Während meines letztjährigen Nordhausen-Aufenthaltes erhielt ich eine SMS vom Göttinger Alexander Markgraf, der gerade in Vellmar mitspielte: “Läufer sind voll geil!”. Wie mir Alex später erzählte, hatte er die Mehrzahl seiner Partien gewonnen, indem er sich das Läuferpaar holte und dann ins Endspiel abtauschte. So wurde ich auf dieses Turnier aufmerksam, und weil es dieses Jahr keine Überschneidung mit Nordhausen gab und es zudem gut mit den Tennertschen Urlaubsplänen passte, fuhren Simon und ich am 8. Juli Richtung Süden.

Wir hatten in der ersten Runde ziemliches Glück, denn wir verpassten uns nur knapp: Simon spielte gegen die Nummer 3 der Setzliste, Alexander Hilverda. Ich saß neben ihm an zwei und hatte so einen guten Blick auf Simons guten Start ins Turnier:
 
hilverda-tennert-nach-20dd4.jpg
Hilverda-Tennert nach 20…De5-d4
 
Nach einer kleinen, aber folgenreichen Eröffnungsungenauigkeit des Schwarzen im 14. Zug hätte Hilverda hier mit 21.Df3 nebst Tad1 klaren Vorteil erlangen können, vor allem wegen des unsicheren schwarzen Königs. Stattdessen kam 21.Dxd4+ cxd4 22.Sb1 Ld7
 
hilverda-tennert-nach-22ld7.jpg
Hilverda-Tennert nach 22…Ld7

Schwarz hat Angriffsobjekte mit den Bauern a4 und e4 sowie einen zumindest nervigen Freibauern auf d4. Außerdem droht er, die c-Linie zu besetzen; taucht ein schwarzer Turm auf c2 auf, bedeutet das echte Probleme für Weiß. Hilverda unterschätzte entweder die gegenerischen Ressourcen, oder sah einfach keine Alternative zu 23.Sd2? Das bessere 23.Sa3 hätte den a4 ungedeckt gelassen, aber dafür das Einbruchsfeld c2 gedeckt. Nach z.B. 23…Tac8 24.Tad1 Lxa4 25.Txd4 b5 26.Kg2 hätte Weiß alles unter Kontrolle. Stattdessen nötigte die Partiefortsetzung Weiß schon genaues Spiel ab: Nach 23…Tac8 war die einzige Chance der Kampf um die c-Linie mit 24.Tec1. 24.Te2? ließ 24…Tc2 zu, wonach die schwarze Initiative nicht mehr aufzuhalten war. Simon verwertete seine gute Stellung überzeugend: 25.b3 f5 26.e5 dxe5 27.Tae1 e4 28.Sc4 Txe2+ 29.Txe2 d3 30.Te1 b5 31.axb5 axb5 32.Se3 Ta8 33.g4 Ta3 34.gxf5 Txb3 35.f6 d2 36.Ta1 Kg8 37.Sc2 Tb2 0-1

In der zweiten Runde ließ Simon ein Remis gegen einen weiteren nominell stärkeren Gegner folgen; ich gewann weniger überzeugend als in der ersten Runde.
In der dritten Runde mussten die ersten beiden der Setzliste, Uwe Kersten und ich, gegeneinander spielen. Vielleicht nicht sonderlich nennenswert - schließlich spielt man sowieso irgendwann gegeneinander - , aber eine Hälftenbildung nach Fide-Regeln hatte da offenbar nicht stattgefunden. Das war übrigens nicht die einzige Gelegenheit, bei der der Schiedsrichter negativ auffiel.
 
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Kersten-Mueller nach 19.Tfe1

Ich fühlte mich hier angesichts der weißen Absicht e2-e4 und der dadurch offenbar werdenden Schwäche e6 und dem Schnapsspringer f7 äußerst unwohl in meiner Haut. Deswegen versuchte ich analog zu Simon in der ersten Runde 19.Df6 mit der Idee 20.e4 Dd4+ 21.Dxd4 cxd4 mit Gegenspiel, z.B. 22.Sd1 fxe4 23.Lxe4 Tac8. Uwe spielte vorsichtiger 20.Tad1 und bot nach 20…b5 21.e4 Remis an, was ich dankend annahm, weil ich annahm, sogar deutlich schlechter zu stehen. Der schlecht stehende weiße Springer spricht allerdings gegen diese Einschätzung. Ich berechnete 21…b4 22.Sb1 fxe4 23.Txe4 Tae8 24.Tde1 Txe4 25.Txe4 und schätzte diese Stellung wegen der e-Linie und vor allem wegen des Feldes e6 sehr pessimistisch ein, aber 25…Da1! verspricht Gegenspiel.
Simon verlor derweil gegen Benjamin Aslan.
In der vierten glich sich dann sein Losglück aus der ersten Runde aus, und er musste gegen den Setzlistenletzten antreten. Immerhin wurde es Simon nicht zu langweilig, denn sein Gegner gab nicht nach 20 Zügen auf, sondern spielte endlos mit Minusturm weiter. Ich gewann auch überzeugend.
Mein Viertrundengegner war in der fünften Runde der Simons. Das resultierende Remis war hart erkämpft; zwischenzeitlich stand Simon sicherlich auf Verlust. Ich nahm Revanche für Simons Drittrundenniederlage:
 
mueller-aslan-nach-16b5.jpg
Mueller-Aslan nach 16.b4-b5

Mein jugendlicher Gegner spielte hier 16…Sd6 und übersah dabei 17.La3 Sf6 18.Df4 Sfe8 19.De5 mit Bauerngewinn für Weiß.

So ging Simon mit 3/5 und ich mit 4,5/5 in den letzten Turniertag. Weil Uwe in den Runden vier und fünf jeweils halbe Punkte gelassen hatte, war klar, dass ich mir den ein oder anderen halben Punktverlust würde leisten können, um den Turniersieg klarzumachen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, verlor ich in der sechsten Runde aber einen vollen Punkt auf Zeit: Zu dieser Partie habe ich keine vollständige Notation, denn nachdem der neben dem Brett stehende Schiedsrichter das Hin- und Herziehen meines Gegners als ausreichenden Gewinnversuch bewertete und nach meiner Zeitüberschreitung auf Partieverlust gegen mich entschied, fehlte mir die Lust auf Vervollständigung meines Partieformulars.
Simon gewann klar und hatte damit sein Soll schon erfüllt, ich dagegen musste unbedingt die letzte Runde gewinnen. Zum Abschluss zwei Taktikaufgaben, die in der Schwierigkeit ein wenig auseinandergehen:
 
tennert-hahn-vor-24h4.jpg
Tennert-Hahn

Simon hatte in der Eröffnung gepatzt und spielte hier mangels guter Alternative 24.h2-h4. Die schwarze Antwort lautete 24…Kc7-d6. Wie erreichte Simon darauf eine klar vorteilhafte Stellung?
 
mueller-luechtenberg-nach-34kd7.jpg
Mueller-Luechtemeier nach 34…Ke8-d7

Weiß gewinnt!

Mit diesen Letztrundenerfolgen hatten Simon und ich letztendlich ein erfolgreiches Turnier gespielt. Er Fünfter, ich doch noch Erster, Ratingpunkte gewonnen und trotz der elenden Hitze durchaus Spass gehabt.
Abzüge gibt es für das Turnier in der B-Note. Obwohl Simons Startgeld vor dem Turnier überwiesen worden war, musste er zunächst “nachzahlen”, weil die Listen der Organisatoren die Überweisung nicht auswiesen. Dem zuviel gezahlten Geld mussten wir dann bis Turnierende hinterherlaufen, anstatt dass jemand deswegen auf uns zugekommen wäre.
Der Schiedsrichter hatte den Titel “Nationaler Schiedsrichter”, das ist leider das einzig positive, was ich über ihn sagen kann. Neben den Auslosungsfehlern und der Entscheidung in meinem Streitfall, die, bedingt durch die schwammige Formulierung der Fide-Regeln, vertretbar ist, fiel er ständig durch Kleinigkeiten negativ auf; wenn ich an anderer Stelle mal geschrieben habe, dass ein Schiedsrichter dann am Besten ist, wenn er nicht auffällt, kann man vom Vellmarer Schiedsrichter leider nur das Gegenteil behaupten. Dennoch machten mehrere Mitglieder des Orgateams einen engagierten Eindruck; letztes Jahr war das Turnier laut Alex gut organisiert. Und so würde ich persönlich auch einen zweiten Versuch wagen.
Alle Ergebnisse und Tabellen gibt es auf der Turnierseite.

7 Kommentare to “Simon & Simon in Vellmar”

  1. Fabianam 16 Jul 2010 um 00:09

    Der griffige Titel erklärt sich übrigens durch den ersten meiner zwei Vornamen :)

  2. Jürgenam 16 Jul 2010 um 16:07

    Hallo Fabian,

    das wusste ich gar nicht mit “Simon Fabian”. Mit den Initialen S.F. hättest du wenigstens ein paar Wochen oder Monate früher nach Salzgitter-Lebenstedt an die Amselstiegschule wechseln können; das wäre griffig gewesen bei SF Salzgitter. Wer heißt dagegen schon “Schlomb Viktor Garry” oder so ähnlich mit Vornamen, um die gleichen Kürzel wie sein Verein zu haben?

    Gruß
    Jürgen

  3. Besucheram 16 Jul 2010 um 18:24

    Ich vermute, dass die vermeintlichen Auslosungsfehler darauf zurückzuführen sind, dass in den ersten Runden vereinsinterne Paarungen ausgeschlossen wurden (ansonsten hätte ja bereits in der 1.Runde Simon gegen Simon spielen müssen).

  4. Fabianam 16 Jul 2010 um 19:56

    @Jürgen: Ich war ja immerhin ein paar Jahre bei den Braunschweiger SF :)
    @Besucher: Gut möglich. Das hat die rätselnde Spitzengruppe vor Ort auch gemutmaßt, konnte aber durch die Turnierleitung weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Mir war bisher allerdings gar nicht aufgefallen, dass Simon und Simon gleich in der ersten Runde gegeneinander hätten spielen müssen, wahrscheinlich, weil ich die “36″ als Teilnehmerzahl aufgeschnappt habe, ohne das Freilos zu registrieren.

  5. Jürgenam 23 Jul 2010 um 14:02

    Ach, Mensch, daran habe ich auch gedacht, irgendwann nach Absenden des Kommentars: Der Fabian war ja auch bei B SF. - Gut, abgesendet war abgesendet. :) - Einen Zug gemacht ist halt ausgeführt.

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  7. Andyam 16 Jan 2011 um 23:02

    Der Ansatz “Apropos Simon” gibt mir die Gelegenheit, einen noch viel älteren Beitrag vorzukramen, nur um darauf hinzuweisen, dass die Überschrift für einen der beiden Simons vielleicht schon in absehbarer Zeit ganz unerwartete Bedeutung erlangen könnte ;)

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