Dez 21 2008

Die Zweite schlägt Wolfenbüttel

Veröffentlicht von Michael Othmer um 17:02 unter Mannschaft

Wenn wir nicht erfolgreich sind, riskieren wir den Misserfolg!

James Danforth (”Dan”) Quayle (ehemaliger US-Vizepräsident)
 

Am 14.12.08 empfingen wir die erste Mannschaft von Caissa Wolfenbüttel zur vierten Runde in der Landesliga-Süd. Um unsere Chancen im Kampf gegen den Abstieg zu verbessern, war ein Sieg gegen die bisher erfolglosen Lessingstädter eigentlich schon fast Pflicht. Offensichtlich hegte die Vertretung aus Wolfenbüttel ähnliche Gedanken… . Wie immer, wenn die Zweite sich zu einem Mannschaftskampf in der Landesliga an die Bretter setzt, waren wir in der oberen Bretterhälfte eher Außenseiter, sodass wir unsere Bemühungen um Gewinnpunkte verstärkt den Spielern aus der unteren Bretterhälfte anvertrauten.

Anfangs waren wir recht optimistisch, weil die Gäste mit lediglich sieben Spielern antraten. Bei einem ihrer Spieler traten wohl gewisse logistische Probleme auf, doch die Wolfenbütteler versicherten glaubhaft, dass ihr Mann es noch irgendwie schaffen wird. Ein Spieler unseres Teams kam, wie verabredet, 15 Minuten nach Partiebeginn. Gut, dass wir keine Olympiamannschaft sind!

Knapp fünf Minuten vor Ablauf der ersten Spielstunde schaffte es der verspätete Schachfreund dann doch noch gerade so, die gegnerische Mannschaft zu komplettieren. “Also acht gegen acht”, dachten wir uns. Fabian überraschte mich plötzlich mit der Idee, seinem Gegner mal Remis anzubieten. “Wir müssen die Punkte sowieso unten holen!”, antwortete ich auf seine Frage, ob er anbieten dürfe und ob das dann für die Mannschaft “irgendwie gut” sei… . Fabians Angebot wurde angenommen! Die Vorweihnachtszeit ist bekanntlich die Zeit der Weihnachtsfeiern in Firmen und Behörden, sowie in Sportvereinen und wahrscheinlich auch anderswo; sogar in unserem Verein gibt es so eine Art Weihnachtsfeier mit Blitzturnier und Sachpreisen; und manche haben sogar Spaß daran! Am Vorabend des hier zur Debatte stehenden Wettkampfes nahm Fabian an einer solchen Feier seines Schwimmvereins teil. Gut, dass Willi Müller das nicht wusste! Um 11:00 Uhr wurde Frieden geschlossen. Buchstäblich fünf Minuten später konnte man Fabian beim Schlummern im Nebenraum beobachten!

Nach ungefähr zwei Stunden Spielzeit stellte sich bei uns das inzwischen ziemlich vertraute Gefühl ein: “Das läuft nicht gut!” An einigen Brettern sah es regelrecht verdächtig für uns aus. Nur bei Sven hatten wir den Eindruck, dass er seine Partie gewinnen würde. Jolo lehnte, vor Kampfgeist strotzend, ein Remisangebot seines Gegners ab. Unter Missachtung ungeschriebener Gesetze des Turnierschachs wurde ihm nach lediglich zwei weiteren Zügen abermals Remis angeboten. Dieses erneute Angebot “aus der Position der Stärke” konnte Jolo nicht guten Gewissens ablehnen, denn er stand wirklich bereits sehr unangenehm, sodass ein Weiterspielen tatsächlich ein Spiel mit dem Feuer gewesen wäre. Jolowicz - Pölig 1/2 - 1/2 nach knapp zweieinhalb Stunden. Spielstand 1 - 1.

Nach weniger als dreieinhalb Spielstunden kam es, wie es kommen musste: Udo musste seine Partie am Spitzenbrett aufgeben! Sein Gegner, Ugur Erdogan, machte sich geschickt einige positionelle Fehlentscheidungen unserer Nummer 1 zunutze und erzwang entscheidenden Materialgewinn. Ein kleiner Rückschlag für Udo, der zuletzt einige gute Resultate aufwies… . So lagen wir also wieder einmal zurück, aber in der Phase vor der Zeitkontrolle wendete sich das Blatt zu unseren Gunsten: Ernst ließ sich untypischerweise auf ein wildes Handgemenge mit haarsträubenden Verwicklungen ein, was im Endeffekt zu einer chancenreichen Stellung mit schiefer Materialverteilung führte. Christian hatte ebenfalls eine Position, die gute Perspektiven verhieß, während Sven eine zweite Chance bekam, indem sein Gegner in ein verlorenes Turmendspiel abwickelte. Meine Position war so, dass ich ohne großes Risiko Gewinnversuche unternehmen konnte, nachdem ich ein Remisangebot ignorierte.

Unmittelbar vor der Zeitkontrolle sackte Olaf einen fetten Gewinnpunkt ein! Nachdem Prof. Dr. Kraft seinen Angriff im Mittelspiel nicht konsequent fortsetzte, nutzte Olaf einige Ungenauigkeiten seines Gegners aus, was ihm die Initiative eintrug. Der Wolfenbütteler übersah einen taktischen Schlag und musste aufgeben. Olaf scheint momentan in einer phantastischen Form zu sein! Spielstand nach vier Stunden: 2 - 2.

Sven misshandelte sein Turmendspiel und die Partie gegen Kruse endete mit einem, aus unserer Sicht, enttäuschenden Remis. Der Wolfenbütteler Ersatzmann, der einst die Schachregeln von mir lernte (konnte ich ahnen, dass er mal auf die andere Seite wechseln würde! Mir geht es wie Obiwan Kenobi), wurde in dieser Partie mehrmals begnadigt: Zunächst verwertete Sven einen riesigen positionellen Vorteil nicht besonders sachgemäß, dann ließ er sich die gewinnbringende Fortsetzung seines Angriffs entgehen und dann… . Siehe oben! Zu Svens Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er den Gewinnweg im Turmendspiel unmittelbar nach der überstandenen Zeitnot hätte finden müssen, was bekanntlich vielen Spielern Probleme bereitet.

Um 14:05 brachte Ernst uns erstmals in Führung! In seiner Schwarzpartie gegen Krämer brach er, wie bereits erwähnt, wilde Verwicklungen vom Zaun, als er sah, dass der Mannschaftskampf bei ruhigem Verlauf schlecht für uns ausgehen könnte. Für seinen Mut wurde er belohnt, indem sein Gegner ein “Matt in 2″ übersah. Ernst hätte bei richtiger Verteidigung seitens des Gegners noch um den Punkt kämpfen müssen, aber ich denke, dass er auch diese Aufgabe bewältigt hätte. Jedenfalls stand er auch ohne das Übersehen des Wolfenbüttelers klar überlegen. Spielstand 3,5 - 2,5 für uns!

Bei Christian hatte sich in der Zwischenzeit einiges getan. Bei Rochaden auf unterschiedliche Flügel kam hier jedem Tempo immense Bedeutung zu, was unser Mann aber bei seinem 46ten Zug leider nicht beherzigte. Sein Gegner, Peter Oppitz, übernahm die Initiative und diese weitete sich zu einem ausgewachsenen Königsangriff aus. Für den Schreiber dieser Zeilen bedeutete dies: “Du musst siegen!”

Jolo munterte mich mit folgenden Worten auf: “Du hast eine Position, die man spielen kann. Smyslow und Petrosjan gewannen solche Stellungen immer. Sogar gegen ihresgleichen! Du bist der bessere Spieler!” — Das ging ´runter wie Öl! Wie schön es doch ist, wenn jemand an deine Fähigkeiten glaubt… . Nach meinem anfängerhaften Gepatze der letzten Wochen beschloss ich also, die Stellung mit äußerster Vorsicht zu behandeln; dabei jede Chance nutzend, die sich mir bieten würde. Die Stellung war für Thilo Welz nicht leicht zu verteidigen, sodass mein Plan schließlich aufging. Spielstand 4,5 - 2,5!

Christian musste letztlich aufgeben, nachdem sein Gegner mit seinem Angriff einfach schneller war. Diese Partie gehörte zu den interessantesten Darbietungen des Tages und war, bis zu einem bestimmten Punkt, eine der besten, die ich von Christian in letzter Zeit gesehen habe. Vielleicht macht sich in solchen Kampfpartien die mangelnde Spielpraxis allzu sehr bemerkbar. Die Gäste aus der Lessingstadt gewannen also an beiden Spitzenbrettern und können sich trotzdem nichts dafür kaufen: 0 Punkte, letzter Platz! Uns jedenfalls hat dieser Mannschaftskampf richtig Spaß gemacht! SVg 2 - SV Caissa Wolfenbüttel 4,5 - 3,5 (Mit einem freundlichen Gruß an David!)

Als wir später erfuhren wie hoch unsere Erste in Langenhagen gewonnen hat, war die Freude natürlich groß! Vielen Dank für die Schützenhilfe, Jungs! Die Erste, Vierte und Fünfte gehen also als Tabellenführer ins neue Jahr: Herzlichen Glückwunsch, Leute! Die Zweite und die Dritte stehen vor schwierigen Aufgaben, aber es scheint durchaus möglich zu sein, dass wir unsere Ziele erreichen können. Bei der Sechsten und Siebten ist noch Luft nach oben, aber Aufsteiger haben es in der ersten Saison halt schwer.

Allen Lesern wünsche ich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

2 Kommentare to “Die Zweite schlägt Wolfenbüttel”

  1. Sven Hagemannam 21 Dez 2008 um 17:46

    Ich sehe das Ganze ein bißchen anders: Eine “Ehrenrettung” gibt es für so einen “Überseher” nach überstandener Zeitnotphase aus meiner Sicht nicht. Es war übrigens nicht nur für die Mannschaft ein enttäuschendes Remis, es ist schon sehr bitter, wenn man quasi seinem Gegner das Remis mehrfach “auf dem Silbertablett serviert” (Jaja, ich weiß, das Phrasenschwein…). Mein Gegner Rudi Kruse konnte dem Remis in der Partie eigentlich gar nicht “entkommen” bzw. “ausweichen”…
    Naja, Gott sei Dank besteht eine Schachmannschaft ja aus 8 Spielern und Otti konnte ja schlussendlich meine “Scharte” wieder auswetzen oder wie Andy sagen würde meine “Schmach” auswetzen… wofür hat man denn auch einen Mannschaftsführer… danke nochmal an dieser Stelle hierfür Otti!
    Auch ich wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Man sieht/liest sich.

  2. David Jakobeitam 22 Dez 2008 um 14:29

    Zunächst einmal meinen Glückwunsch!
    Zurück zur alten erfolgreichen 4,5 Taktik, ein wahrlich genialer und unerwarteter Schachzug zur richtigen Zeit ! Allen anderen die das jetzt hier lesen sei gesagt, dass es bisher keine erfolgsversprechende Gegentaktik gibt…

    Hatte leider keine Zeit um zur Weihnachtsfeier zu kommen, ist am 02.01. schon ein Vereinsabend ? Wäre der einzige Freitag wo ich noch vorbei kommen könnte….
    Wünsche euch allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ansonsten und ein paar von euch muss ich ja leider auch in travemünde sehen ;)
    Gruß David

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