Mai 24 2008

Für den Fabian ist es in Magdeburg gar nicht gut gelaufen

Veröffentlicht von Fabian um 17:02 unter Turniere

„Es reicht nicht, ein guter Spieler zu sein – man muss auch gut spielen.“

Siegbert Tarrasch

Alf: „Er ist ‘ne Gurke!“
Willie: „Nein, das ist er nicht … Er ist keine Gurke!“
Alf: „Er hat überhaupt keinen Hals!“

Dialog aus der Alf-Folge „Reden ist Blech“

Die Nachmittagsrunde eines Opens kann sich lange hinziehen. Sehr lange. Vor allem, wenn es Dinge gibt, an die zu denken eine Qual ist, die einem aber unaufhörlich durch den Kopf geistern, wenn man keine probate Ablenkung hat. Womit habe ich sie mir verdient, diese subjektiv so lang andauernde zweite Runde?

War es das frühzeitige Feiern des scheinbar sicheren Punktes ob des schwachen Spiels meines Gegenübers? Aber wie oft steht man schon mit Schwarz nach fünfzehn Zügen so:

Isele-Müller

War es die rüde Aufforderung an meinen Gegner, aufzuhören mich vollzusülzen, nachdem ich ihm die Hand hatte rüberreichen müssen und er mir mit unqualifizierten Äußerungen zum Partieverlauf schmerzlich klar vor Augen führte, wie es um sein positionelles Verständnis bestellt ist? Oder war es einfach nur die nackte „Null“ in der Tabelle, nach der ich meine Träume von der Qualifikation zur deutschen Meisterschaft bereits nach der ersten Runde begraben musste? Was es auch war, die Auslosung zur zweiten Runde weist am vorletzten Brett die Paarung „Müller,Fabian - Högerl-spielfrei“ aus. „Wenn der Typ nicht zufällig einen sehr seltsamen Vornamen hat, wird damit eine Weißpartie verbrannt“, denke ich mir. Immerhin kann ich nun ausgiebig bei anderen Partien kiebitzen. Marcel Keßler spielt mit Weiß gegen Rico Huhnstock. So sieht der also aus. Marcel macht ihn richtig platt, und ich sitze in der ersten Reihe. Das Leben stinkt.
Nachdem ich mich abends um zehn noch mal aus meinem Hotelzimmer nach unten bequeme, bessert sich beim Blick auf die Auslosung meine Laune. Immerhin habe ich, entgegen meiner Befürchtung, die weißen Farben. Ich klappe den Rechner auf, um Herrn Großmann gehörig auszupräparieren …
Alexander Huzman (der eine der zu erwartenden Dschungelvarianten schon mal auseinandergepflückt hat) und meinem Gegner sei dank stehe ich am nächsten Tag nach 14 Zügen positionell auf Gewinn. Die Betonung liegt auf positionell. Ich würde gerne schnell Schluss machen, denn ich sitze neben meinem Erstrundengegner, und der atmet verdammt laut. Klappt aber nicht, weil ich mit einem oberflächlichen Zug einen Großteil meines Vorteils wieder wegwerfe. Reichen tut es Gott sei dank immer noch.
Am Nachmittag habe ich Schwarz in einem Holländer. Wieder eine Nebenvariante, und ich fahre nicht sonderlich gut. Plötzlich rastet er aus und wickelt in ein Endspiel ab, das nur ich gewinnen kann. Dann stellt er auch noch eine Qualität ein, und ich stelle mir die Frage, warum er nicht aufgibt. Die Antwort gebe ich mir selber: Nachdem ich die Qualität zurückgegeben und in ein völlig gewonnenes Turmendspiel abgewickelt habe, berechne ich das Bauernendspiel, in das er abwickeln kann und wohl auch muss. Es scheint nicht wirklich kritisch zu sein:

Piotraschke-Müller

46. …Kd5 47. Txb2 Txb2 48. Kxb2 Ke4 49. Kc2 Kf3 und der weiße f2 fällt; das Bauernpaar wh6 sh7 tut nichts zur Sache. Ich berühre also meinen König, ziehe ihn, lasse ihn los und notiere fassungslos den Zug, den ich ausgeführt habe: 46. …Kc5. Der Versuch, mir nichts anmerken zu lassen, scheitert kläglich. Letzte Hoffnung: Das Bauernendspiel war in der anderen Variante so klar gewonnen, vielleicht klappt’s ja immer noch!? Das auf gegnerische Bedenkzeit zu berechnen ist mir nicht vergönnt, mein Gegner zieht 47.Txb2. Wer schlau ist, rechnet jetzt vernünftig, kommt zu dem Schluss, dass das Bauernendspiel nicht mehr gewonnen ist, und sucht mit 47. …Txh6 sein Heil im Turmendspiel. Ich nicht. 47. …Txb2 48.Kxb2 Kd4 49.Kc2 Ke4 50.Kd2 Kf3 51.Ke1 Kg4 52.Ke2 Kh5 53.Kf3 Kxh6 54.Kg3 Kh5 55.f4 g4 56. f5 Kg5 57.f6 Remis
In diesem Augenblick beschließe ich, mit Schach aufzuhören.
Ziemlich geknickt checke ich später die Auslosung. Während neben mir ein ehemaliges Schachfreunde-Mitglied sich bei einem der Turnierleiter darüber beschwert, dass der Pokalteilnehmer des Blindenschachbundes ein eigenes Brett benutzen darf, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll - nicht wegen dieses Gefasels, sondern wegen meiner morgigen Aufgabe: Ich spiele mit Weiß gegen Thomas Frotscher, gegen den ich letzten September (natürlich) eine glatte Gewinnstellung verloren und ihm damit den Turniersieg auf einem Silbertablett überreicht habe. Nachdem ich ja hier bereits in allen drei Partien auf Gewinn stand, aber nur 1,5 Punkte zu Buche stehen, macht so etwas nachdenklich. Ich beschließe in einem plötzlichen Motivationsschub dennoch: Morgen wird gewonnen, und zwar nicht nur einfach gewonnen, sondern erdrutschartig!
Nachdem ich mich beim Frühstück wegen meiner gestrigen Partie ordentlich von Björn Bente habe auslachen lassen, gelingt mein Vorhaben mehr oder weniger. Frotscher spielt Grünfeldindisch. Grünfeldindisch!!! Natürlich schmeisse ich meinen klaren Eröffnungsvorteil irgendwann mit einem einzigen Zug weg, dann wird aber ausnahmsweise mal mein Gegner Opfer einer taktischen Wendung. Am Ende also 2,5 aus 4 und die Erkenntnis, dass sowohl Positionsspiel als auch saubere Kleidung weit überschätzt werden: Einer meiner Gegner hatte von Donnerstag bis Samstag dasselbe T-Shirt an.

2 Kommentare to “Für den Fabian ist es in Magdeburg gar nicht gut gelaufen”

  1. Bernd Kimmicham 25 Mai 2008 um 08:36

    Du spichst mir aus der Seele: Freitag erging mir ähnlich: im 35. Zug geschah Sg4-e3?? mit -7,40 Bewertung. Wobei Sg4-f2! + 8.50 rausgekommen wäre. So war es bei mir auch “nur” 1 Feld und und die Partie kippte vollständig; nicht mal den HALBEN konnte ich ergattern. Und nur einen nochmals (ungenauen) Zug von mir später klang es aus Uwe Tweles Rachen: Ha, Matt in 1! Aber vielleicht gibt es ja noch was besseres!! Er liess sich tatsächlich noch ca 60 sek Zeit um ein Matt in 0,5 zu suchen–oder so–

    Es ist schon schlimm, wenn man eine spielerisch und positionell recht gut geführte Partie so wegwirft und sich dann vom Gegner auch sagen lassen muss, meist schlechter gestanden zu haben. (es war umgekehrt, wie der Rechner bewiess)
    Ans Aufhören habe ich aber nie gedacht….

  2. Sven Hagemannam 25 Mai 2008 um 14:30

    Hallo ihr beiden,

    seid froh, ihr seid da nicht alleine: Ich glaube, ich kann schon gar nicht mehr mitzählen, wieviele bessere oder Gewinnstellungen ich in den letzten 1-2 Jahren noch ins Remis oder sogar in den Verlust vergeigt habe. Das schlimme ist, dass die Gegner sich dann auch noch über den Punkt freuen, obwohl sie vom Schach überhaupt keine Ahnung haben….. Marcel weiß, wovon ich rede…..
    Aber Kopf hoch! Ihr müsst an Euch glauben, solche Sachen gehören halt auch zum Schach (leider)….. und auf die Dauer sollte sich doch die spielerische Klasse durchsetzen. Wegen so etwas sollte man NIE daran denken, mit dem Schach spielen aufzuhören. Und auch wenn der Gegner meint, die ganze Partie besser gestanden zu haben….. einfach reden lassen. Zeugt nur umso mehr davon, dass er von Tuten und Blasen keine Ahnung hat….. natürlich ist es bitter, sich dann von demjenigen/derjenigen “zusülzen” lassen zu müssen…..
    Naja. Bernd wird die Niederlage wohl eher verkraften können als Fabian denke ich. Zu Dir Fabian: Viele/jeder (?)/alle (?) wissen, was Du kannst bzw. drauf hast. Und deswegen wird es bei Dir demnächst auch wieder besser laufen :).
    UNSERE Erste wird nämlich mit Dir in die Oberliga zurückkehren :):).
    Kopf hoch, es wird schon wieder!

    Grüße an alle NEUEN Salzgitteraner Vereinskollegen,
    Sven Hagemann

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