Apr 08 2008

Die Zweite im Wechselbad der Gefühle

Veröffentlicht von Michael Othmer um 21:25 unter Mannschaft

It ain´t over till it´s over!

Amerikanische Sportweisheit, die auf Deutsch mindestens genauso bescheuert klingt
 

Sonntag, 06.04.08 um 9:30 Uhr: Vor unserem Spiellokal kam langsam aber sicher Unruhe auf, weil unsere Mannschaften mit Heimrecht mal wieder vor verschlossenen Türen standen. Spätestens als die ersten Gastmannschaften eintrafen, war der Weckruf für den Hausmeister fällig, der sich dann auch ziemlich schnell auf die Socken machte und um kurz vor zehn die Tür aufschloss.

Wie heiß meine Mannschaft auf das Match gegen Wolfsburg war, zeigt folgende Episode exemplarisch: Am Samstag der Vorwoche, also am 29.März, rief mich ein Mitspieler an und äußerte die Frage: “Kannst du mich morgen früh abholen?”. “Wozu?”, fragte ich verblüfft zurück. Es schien, als wollte dort jemand vor lauter Ehrgeiz die Uhren gleich um eine ganze Woche vorstellen!

Nachdem ich mich bei unseren sympathischen Gästen aus Wolfsburg, die in Bestbesetzung angetreten waren, artig für die Verspätung entschuldigt hatte, konnte der für uns außerordentlich wichtige Kampf seinen Anfang nehmen. Ohne es besonders vernünftig begründen zu können, schienen fast alle Spieler meines Teams bezüglich unserer Chancen ein gutes Gefühl zu haben. Nach ca. eineinhalb Stunden war das noch immer so, denn zu diesem Zeitpunkt gab es kaum Anlass zur Sorge: Ein ganz normaler Mannschaftskampf mit augenscheinlich leichten Vorteilen für uns.

11:45 Uhr: Er hat mich gefragt und ohne Zögern erlaubte ich es: Jolo bot seinem Gegner, Wladimir Degen, die Punkteteilung an, was akzeptiert wurde. Ein Remis mit Schwarz an Brett 5 ist erstens keine Schande; und zweitens wusste ich um Jolos inneren Zwiespalt im Hinblick auf sein mögliches Nichterscheinen beim Geburtstag seiner Schwiegermutter. Warum soll jemand seinen Familienfrieden für die Zweite aufs Spiel setzen?

12:30 Uhr: Siggi stellte in besserer Stellung Material ein! Sein Gegner, Hartmut Scholvin, wird diesen Punkt wohl als ein unverhofftes Geschenk empfunden haben. Siggi verschwand dann erstmal für eine Weile, um zu verarbeiten was er angerichtet hatte. Als ich mir später gemeinsam mit Fabian und dem “eisernen Freund” die Partie anschaute, konnte ich Verständnis für Siggis Verhalten aufbringen: Nach solch einer Niederlage sucht man die Einsamkeit!

13:15 Uhr: Sebastian wurde von Joachim Schmidt-Brauns klar überspielt und stellte den Widerstand ein! Zwei Weißpartien in Folge gingen verloren und zu diesem Zeitpunkt sah es für die Mannschaft wirklich nicht gut aus. War das Remis von Jolo verfrüht? Wer sollte eigentlich einen Punkt für uns holen? Die Stimmung in der Mannschaft drohte von anfänglicher Euphorie in Defätismus umzuschlagen. Spielstand: 0,5 - 2,5 !

Unsere Hoffnungen ruhten jetzt auf den ersten vier Brettern und auf Brett 7, wo unser Mann eine Stellung hatte, in der wir ihm wegen seiner Erfahrung und Kampfkraft durchaus etwas zutrauten, obwohl sie objektiv wohl als ausgeglichen eingeschätzt werden muss. An den Brettern 1, 2 und 4 standen wir sowieso besser und weil Zeitnotfehler sich erfahrungsgemäß häufiger in etwas schlechterer Position einzustellen pflegen, setzten wir auf die Phase unmittelbar vor der Zeitkontrolle. Noch war nichts verloren!

14:00 Uhr: Der Berichterstatter kam zu seinem ersten Sieg in dieser Saison. Dieter Jentsch unterlief bei beginnender Zeitnot ein schrecklicher Fehlzug und dann war keine große Endspieltechnik mehr vonnöten. Der Anschlusstreffer!

14:05 Uhr: David - Lothar Olzem 1 - 0 ! Diese Partie war Davids bislang beste Saisonleistung! Er hat seinen unkonventionell spielenden Gegner sauber überspielt und einen vollauf verdienten Sieg herausgearbeitet. Unser zweites Brett hat offensichtlich die beneidenswerte Fähigkeit, an seinen Aufgaben zu wachsen und keine Angst vor großen Namen. Damit war nun alles wieder offen. Spielstand: 2,5 - 2,5 !

Nach der Zeitkontrolle konnte man dann einen erneuten Blick auf die Gesamtsituation werfen und kam zu folgenden Erkenntnissen: An Brett 3 ist uns ein Bauer abhanden gekommen, am ersten Brett ist der Vorteil auf unserer Seite und an Brett 7 haben wir in Zeitnot eine Qualität eingestellt. Das sah nach einer knappen Niederlage aus, was unsere Position im Abstiegskampf nicht gerade verbessert hätte.

14:30 Uhr: Udo hatte für den Minusbauern wohl genügend Gegenspiel, um Dr. Guido Börner zu veranlassen, den Punkt per Dauerschach zu teilen. Unser drittes Brett spielt eine prima Saison und erweist sich mit seiner Erfahrung immer mehr als eine der tragenden Säulen der Zweiten. Nach diesem erfreulichen Ergebnis schien nun ein 4 - 4 wahrscheinlich und ich gestehe, dass wir damit inzwischen sehr zufrieden gewesen wären.

15:00 Uhr: Christian schlug Dr. Frank Smolej überzeugend! Unser Spitzenbrett errang damit ebenfalls seinen ersten Saisonsieg und kann auf seine Leistung mit Recht stolz sein. Er sah, dass diesmal ein voller Punkt von ihm gebraucht wurde und hat seinen ganzen Mut und Siegeswillen zusammengenommen, um der Mannschaft bei der Erreichung des Saisonziels Hilfe zuteil werden zu lassen. Spielstand 4 - 3 !

Kommen wir zu unserem Sorgenkind an Brett 7: Der Wolfsburger hat nach oben beschriebenem Qualitätsgewinn eine ziemlich glatte Gewinnstellung erreicht, aber es fällt mir nicht leicht, in Worte zu fassen, was in der jetzt zu behandelnden Stunde zwischen dem Sieg von Christian und dem Ende der Partie an Brett 7 alles passierte: Zunächst gab der Weiße richtigerweise die Qualle zurück, um in ein gewonnenes Turmendspiel abzuwickeln. Ein Freibauer kostete unseren Mann dann einen ganzen Turm und die Wunder konnten beginnen, denn es erwies sich, das der Gegner nach sechs Stunden angestrengten Kampfes plötzlich einen phänomenalen Mangel an Technik an den Tag zu legen begann!

16:00 Uhr: Jü schaffte tatsächlich das nicht mehr für möglich gehaltene Remis gegen Alexander Beller, der sich aus unbegründeter Furcht vor den schwarzen Freibauern ins Dauerschach flüchtete! Jü hat hier abermals seine ganze Erfahrung in die Waagschale geworfen und bewiesen, das es sich oftmals auch in objektiv verlorenen Stellungen lohnen kann, den Gegner bis zum Schluss vor Probleme zu stellen. Selbstverständlich war der Jubel groß und einige fingen an, ausgelassen den Klassenerhalt zu feiern. Der Berichterstatter und Mannschaftsführer musste sich tadelnde Worte anhören, weil er den Sekt vergessen hatte und wie im letzten Jahr lag umarmte mich unser Edelfan Bernie.

Endstand: 4,5 - 3,5 !!!

18:10 Uhr: Beim Italiener sitzend ist, nachdem sich die erste Freude gelegt hat, die Stimmung nicht mehr ganz so euphorisch: Was wären für uns bei acht Mannschaftspunkten denn die ungünstigsten Ergebnisse am letzten Spieltag: “Otti, ruf den Staffelleiter an!”. Natürlich lagen noch keine Resultate vor, aber der Anruf beim Mannschaftsführer vom HSK führte dann zur allgemeinen Ernüchterung. Es gibt noch was zu tun, und manchmal ist es gut, die Sektkorken nicht zu früh knallen zu lassen…

 

SVG Salzgitter II DWZ SC Wolfsburg I DWZ 4½:3½
Christian Höthe 2093 Dr. Frank Smolej 2203 1:0
David Jakobeit 2012 Lothar Olzem 2082 1:0
Udo Lau 2087 Dr. Guido Börner 2033 ½:½
Michael Othmer 1951 Dieter Jentsch 2088 1:0
Dr. Matias Jolowicz 2003 Wladimir Degen 2088 ½:½
Siegfried Lau 1958 Hartmut Scholvin 2070 0:1
Jürgen Hesse 1909 Alexander Beller 1933 ½:½
Sebastian König 1908 Dr. Joachim Schmidt-Brauns 2080 0:1

Gewinnerwartung 3,158:4,842

2 Kommentare to “Die Zweite im Wechselbad der Gefühle”

  1. Andyam 10 Apr 2008 um 23:24

    Vielleicht wollte der ungenannte Mitspieler auch nur von dir nach Schöningen gefahren werden, um der Jugend beim Aufsteigen zuzuschauen? :-)

  2. Othmer, Michaelam 11 Apr 2008 um 16:31

    Nee! Der wollte gegen die “Wölfe” spielen. Aber alle Spieler meiner Mannschaft zeigten sich begeistert über die Leistung unserer Jungfüchse. Macht weiter so und werdet noch besser!

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