Mrz 13 2008

Die Zweite: Auswärtspunkt in Lehrte

Veröffentlicht von Michael Othmer um 20:27 unter Mannschaft

Wenn es schwierig wird, muss man in maximalem Maße seine Kräfte mobilisieren!

KASPAROV
 

Es wird mir, fürchte ich, kaum gelingen, die Dramatik dieses Mannschaftskampfes auch nur halbwegs nachvollziehbar darzustellen. Deshalb eines vorweg: Es war einer der irrwitzigsten Kämpfe seit Jahren. In beiden Teams gab es Helden und tragische Gestalten und ein Thriller selbst der erfinderischsten Autoren hätte nicht mehr Spannung beinhalten können als dieser Fight!

Am 09.03.08 standen wir in Lehrte vor der schwierigen Aufgabe, unsere Chancen im Abstiegskampf zu verbessern. Um möglichst kein Risiko im Hinblick auf unser pünktliches Erscheinen einzugehen, hatte ich den Zeitpunkt der Abfahrt sehr früh angesetzt. Nachdem wir dann fast 40 Minuten vor Spielbeginn eingetroffen waren, brachte mir das einen heftigen Rüffel von Jolo ein: “Wir hätten alle eine halbe Stunde länger schlafen können!” Wir beschlossen, Sebastian zu Fuß vom nahe gelegenen Bahnhof abzuholen. Nach wenigen Metern stellte ich dann fest, dass ich nicht rechtzeitig um 9:45 Uhr zum Ausfüllen der Spielberichtskarte zurück sein würde und kehrte, gemeinsam mit dem lauffaulen Siggi, um. Kaum wieder vor dem Spiellokal angekommen, blickten wir uns um und sahen Sebastian und seine “Eskorte” auf uns zukommen. Alles hatte geklappt. Wir würden also vollzählig antreten können!

Zum Spielverlauf: Schon sehr, sehr früh musste Sebastian seinem Partner zu einem verdienten Punkt gratulieren und aus Rücksichtnahme auf unser ansonsten sicheres achtes Brett verschweige ich an dieser Stelle mal ausnahmsweise die genaue Dauer dieses Spiels. Nach ca. 2 Stunden dachten die meisten von uns an die blamable Vorstellung in Bad Salzdetfurth zurück, denn ein ähnlich negatives Ergebnis schien sich auch diesmal abzuzeichnen. Nach gut zweieinhalb Stunden erwischte es dann Christian als Weißen in einem von seinem Gegner überzeugend vorgetragenen Skandinavier mit heterogenen Rochaden. Spielstand: 0 - 2 !

Eine Stunde später einigte sich Udo mit seinem Spielpartner auf ein Remis. Gerade in dieser Partie hatten wir lange Zeit das Gefühl, unseren “Ehrenpunkt” holen zu können, allerdings war wohl in der Endstellung wirklich nichts mehr drin. Übrigens war Udos Stellung auch während des Partieverlaufs nie so klar besser, wie einige von uns dachten. Alles ist eben relativ: Im Vergleich zu den Grottenpositionen an einigen anderen Brettern hatte Udo eine Traumstellung!

An Brett 4 spielte ich zum dritten Mal in meinem Leben gegen Stefan Schmezko: Erstmals trafen wir auf einem Jugendturnier im Jahre 1980 aufeinander, die zweite Begegnung fand bei einem Open in 1991 statt und jetzt ist 2008. Solche Serien gibt es wohl nur im Schachsport! Sollten wir noch zwei weitere Partien austragen, wobei der Rhythmus beibehalten wird, werden wir wohl ziemlich alt. Stefan killte mich überzeugend und führt 2 - 1. Glückwunsch und bis dann, irgendwann in den 30-er Jahren! So lagen wir dann kurz vor der Zeitkontrolle mit 0,5 - 3,5 im Hintertreffen.

Mit hängendem Kopf ging ich dann analysieren und es dauerte nicht lange, bis Jolo mir sein Ergebnis mitteilte: Remis! Tja, das war´s! 1 - 4 und auch der Sieg von durch Zeitüberschreitung seines zwar schlechter, aber sicher nicht auf Verlust stehenden Gegners hellte unsere düstere Stimmung nicht besonders auf. Zu diesen Partien ist allerdings noch Einiges zu bemerken: Unser Doc stand bis zum Schluss immer etwas besser und war eindeutig derjenige, der drückte! Sein Gegner konnte die Partie gerade so in der Remisbreite halten, aber das reicht ja auch für einen halben Punkt. Bei Jü war es ähnlich, nur dass sein Partner halt mit der Bedenkzeit nicht klarkam. In beiden Partien verfügten unsere Leute zeitweilig über jeweils einen Mehrbauern, aber das ist manchmal eben nicht genug. 2 - 4 nach der Zeitkontrolle!

Um 14:45 Uhr schlug dann Siggis große Stunde! Sein Gegner übersah eine Springergabel mit Turmverlust und musste auf der Stelle aufgeben. Wahrscheinlich hätte Siggi die Partie auch ohne diese Hilfestellung gewinnen können, aber so waren natürlich keine weiteren Anstrengungen vonnöten. 3 - 4 !

David avancierte dann zum Helden des Tages! Er lehnte angesichts der oben beschriebenen schlechten Gesamtaussichten ein frühes Remisangebot ab. Mit seinem Läuferpaar hatte er tatsächlich einiges an Spiel, aber bei symmetrischer Bauernstellung gegen einen rund 100 DWZ-Punkte besseren Gegner erforderte diese Ablehnung schon bemerkenswerte Courage! Beim Stand von 3 - 4 hatte er dann bereits einen Mehrbauern, aber die ungleichfarbigen Läufer sind oft ein wichtiger Remisfaktor. Glücklicherweise gab es aber auch noch Türme auf dem Brett und trotz augenscheinlich schlechter Königsstellung agierte unser zweites Brett mit diesen derart geschickt, dass er es den Gegner einen weiteren Bauern kosten ließ, das letzte Turmpaar zu tauschen. Davids König, der eben noch eine ziemlich traurige Figur abgab, stürmte jetzt mit Riesenschritten in die gegnerische Stellung hinein und versetzte dem Weißen den Gnadenstoß. Endstand: 4 - 4 !

Mit diesem Unentschieden haben wir uns übrigens in der Tabelle um zwei Plätze verbessert und belegen jetzt den sechsten Platz in der Landesliga. Wer hätte das nach dem dritten Spieltag gedacht?– Man darf eben nie zu früh die Flinte ins Korn werfen!

In Salzgitter angekommen trübte sich unsere Stimmung dann jedoch gewaltig, denn die Ergebnisse der anderen Mannschaften sind, mit Ausnahme der Dritten, ein ziemlicher Schlag ins Kontor. Lasst nicht die Köpfe hängen, denn auf Regen folgt Sonnenschein und abgerechnet wird am Schluss!

 

SK Lehrte I DWZ SVG Salzgitter II DWZ 4:4
Heinrich Bedürftig 2197 Christian Höthe 2093 1:0
Michael Frodl 2115 David Jakobeit 2012 0:1
Gunnar Zschischang 2118 Udo Lau 2052 ½:½
Stefan Schmezko 2098 Michael Othmer 1960 1:0
Martin Freystein 2051 Dr. Matias Jolowicz 2002 ½:½
Christian Jordan 2054 Siegfried Lau 1958 0:1
Winfried Finke 2058 Jürgen Hesse 1941 0:1
Helmut Schau 1965 Sebastian König 1908 1:0

Gewinnerwartung 5,006:2,994

4 Kommentare to “Die Zweite: Auswärtspunkt in Lehrte”

  1. Christian Jordanam 19 Mai 2008 um 13:16

    Hallo. Ersteinmal möchte ich Euch dazu gratulieren, diesen Blog ins Leben gerufen zu haben - Berichterstattung ist in der Regel immer sinnvoll, gerade für eine Randsportart wie Schach. Dann bin ich mir natürlich auch darüber im Klaren, dass das Niveau der schachlichen Berichterstattung im Allgemeinen relativ niedrig ist, besonders bei den Online-Ausgaben von Tageszeitungen etc. Bei einem Vereinsblog ist natürlich auch immer eine Portion Patriotismus und Subjektivität drin, und das ist auch gut so.

    Die Schilderung meiner Partie gegen Siggi ist jetzt jedoch so völlig falsch, dass ich hier eine Klarstellung anbringen möchte:
    1. Nach der Eröffnung stand Siggi leicht besser, danach wurde die Partie ausgeglichen gestaltet bis dann später ging die Initiative an mich über, was in einer klaren Gewinnstellung (~ +10 Vorteil für Weiß lt. Computer) für mich resultierte.
    2. Dann fand ich nicht die beste Fortsetzung, und ließ eine Springergabel zu, die zu einem Qualitätsverlust führte.
    3. Ich gab dann nicht sofort auf, sondern spielte noch weiter, wenngleich die Stellung zu diesem Zeitpunkt für Schwarz klar besser, aber noch nicht glasklar gewonnen war.
    4. Siggi geriet dann (für mich übrigens sehr unverständlich) völlig aus dem Konzept und gab mir dann noch die Möglichkeit, forciert eine Stellung zu erreichen, in der ich eine Dame habe und Siggi einen Turm + Leichtfigur - also mit Gewinnchancen für Weiß.
    5. Nachdem ich diese Chance auch ausließ konnte Schwarz seinen materiellen Vorteil schließlich nutzen, was folgerichtig in meiner verdienten Niederlage endete!

    Vergleicht man dies jetzt mit der Formulierung im Bericht wird deutlich, warum ich hier so ausführlich antwortete:

    “Sein Gegner übersah eine Springergabel mit Turmverlust (falsch) und musste auf der Stelle aufgeben (falsch). Wahrscheinlich hätte Siggi die Partie auch ohne diese Hilfestellung gewinnen können (falsch), aber so waren natürlich keine weiteren Anstrengungen vonnöten (falsch).”

    Schönen Gruß aus Hamburg!

  2. Fabianam 19 Mai 2008 um 13:53

    Hallo Christian,
    wenn die mir vorliegende Notation korrekt ist, endete die Partie nach 52. …Sb4+ , den König c2 und den Turm d5 gabelnd. Ich vermute, Ottis Partiebeschreibung bezog sich auf diese Gabel und nicht auf die mit Qualitätsverlust im 30. Zug. Um 14:45 im 30. Zug hätte ja auch bedeutet, dass zumindestens ein Spieler vergessen hätte, auf Zeit zu reklamieren ;-)

  3. Christian Jordanam 19 Mai 2008 um 19:20

    Ja das stimmt. Wenn man den Kommentar auf diese Partiesituation bezieht, ist er auch gar nicht falsch und meine Kritik war an dieser Stelle unberechtigt.
    Die wirklich kritischen (und damit partieentscheidenden) Momente ereigneten sich viel früher. Zu meiner Ehrenrettung sei allerdings gesagt, dass sich die Beschreibung oben so ließt, als hätte mich Siggi über einen langen Zeitraum langsam überspielt und die Springergabel hätte dann nur das vorzeigte Partieende herbeigeführt. Und zumindest dieser geschilderte Eindruck würde dann nicht der Realität entsprechen, wobei das dann schon fast wieder in Richtung “Vereinspatriotismus” geht, und deswegen hätte ich mich natürlich auch nicht zu Wort gemeldet. Aber offensichtlich lag hier dann eine Verwechslung von meiner Seite vor, weil ihr die angegebene Uhrzeit nicht beachtete und natürlich davon ausging, dass es “die” Springergabel war ;-)

    Wie auch immer, immerhin hat dieser Blog dazu geführt, dass ein vereinsübergreifender Kommunikationsaustausch statt fand, zu dem es “früher” nicht gekommen wäre, und das ist ja auch schon mal was!

  4. Othmer, Michaelam 19 Mai 2008 um 21:03

    Hallo Christian! Es tut mir leid, dass meine Beschreibung eurer Partie zu Missverständnissen geführt hat. Fabian hat die Sache wie immer sehr richtig gesehen und das Missverständnis aus der Welt geschafft.
    Übrigens gab es eine weitere Beschwerde über den infrage stehenden Bericht: Jürgen Hesse besteht darauf, dass er die Schlussstellung seiner Partie gegen Winfried Finke im Blitzen selbst gegen das Computerprogramm “Fritz” bei zwei Versuchen einmal zum Sieg verwerten konnte! Die Aufgabe war also doch nicht zu früh.
    Aber vereinsübergreifendes Diskutieren war mal ganz nett. Mehr davon!

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