Aug 06 2009

Familienausflug nach Nordhausen

Veröffentlicht von Fabian um 22:45 unter Turniere

Immer zwei es sind. Ein Schüler und ein Meister.

Yoda
 

Bei meinem diesjährigen Standardausflug zum Nordhäuser Schachopen begleitete mich mit meinem Paderwan Simon erstmals ein weiterer Svgler. In der örtlichen Jugendherberge wurden wir zwei plus Christopher Vogel, der sich uns angeschlossen hatte, in den günstigen Familie mit Kind Tarif eingeordnet, was mich den Entschluss treffen ließ, ab jetzt immer einen 12jährigen zu meinen Turnierfahrten mitzunehmen.

In Kinderbegleitung zu reisen, hat noch weitere Vorteile: Die Ausgaben für nächtliche Kneipenzüge sind bei null. Der Schlafrhythmus ist regelmäßig. Damit steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit guter Leistungen am Brett.
Gesünder ist ein solcher Turnierablauf außerdem; dieser Vorteil wird allerdings durch den Stress wieder ausgeglichen, dem man durch die Beobachtung der Partien des Schützlings ausgesetzt ist, vor allem, wenn diese nicht so erfolgreich verlaufen, wie man gerne hätte.
Leider galt das in Simons Fall. Nach einer Niederlage gegen einen relativ starken Auftaktgegner und einem Pflichtpunkt in der zweiten Runde war die dritte Runde möglicherweise richtungsweisend:

tennertsimon-smidarend.jpg
Tennert - Smid

Ich musste das aus meinem Gedächtnis rauskramen, weshalb ich die Zugzahl nicht kenne. Simon hat seinen zweihundert Ratingpunkte stärkeren Gegner in ein Turmendspiel mit Minusbauer gezerrt. Leider hat sich der Schwarze gut verteidigt und seine Figuren maximal aktiviert. In der Partie folgte b5 mit der Drohung Td8-b8, was mit Ke7 pariert wurde.
Stattdessen wäre Te4+ nebst Te3 und Tb3 mit der Idee eines gelegentlichen a4-a5 und der Chance, den König über die dritte Reihe zu aktivieren, vielleicht eine bessere Gewinnchance gewesen. In der Partie reichte es nur zu einem halben Punkt. Ab da ging es dann bergab für Simon, der nach Verlustpartien gegen unseren Zimmergenossen Christopher und einen Hermannsburger 1700er sowie einem Pflichtsieg in Runde sechs in der letzten Runde mit einem Pflichtpunkt noch auf 50 Prozent hätte kommen können, aber stattdessen auf recht überflüssige Weise vergeigte.
Bei mir lief es dagegen ziemlich gut, denn ich hatte die Eloschwächeren gut im Griff. Außerdem spielte ich wie Karpow (diese Meinung hatte ich seltsamer Weise als einziger Turnierteilnehmer):

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Müller - Richter,D

Während der Partie war ich völlig begeistert von meinem Zug 16.Dd1, der gegen die schwarze Idee 16…b5? gerichtet ist, worauf 17.a4 folgte und Schwarz wegen Bauernverlust auf Verlust stand. Auf 17…b4 käme nicht 18.Lxa6 bc, wonach e4 hinge, sondern 18.Sb5! Witziger Weise hätte Schwarz aber mit einem ähnlich prophylaktischen Zug reagieren und b7-b5 vorbereiten können: 16…Dd8! nebst 17…b5 mit Gegenspiel.

In der nächsten Partie spielte ich nicht wie Karpow, so brauchte es gegen Christoph Barlag meine einzige richtig glücklich gewonnene Partie:

barlagchristoph-mullerfabian.jpg
Barlag - Müller

18.Dc2 war Christophs Zug. Nach 18.Da3 dagegen hätte ich aufgeben können. Es droht 19.Sxc6, wonach der Damenflügel auseinanderfliegt. Wegen der Fesselung auf der Diagonale a3-f8 kann ich dagegen aber nichts machen. Am Ende der Partie profitierte ich dann von einem Figureneinsteller Christophs: Drei aus Drei, Brett eins gegen GM Turov:

mullerfabian-turovmaxim.jpg
Müller - Turov nach 72…Dg1

Hier hörte ich auf zu schreiben, denn ich hatte nur noch etwa eine Minute für den Rest der Partie - mein Gegner noch eine halbe Stunde. Wenig verwunderlich, dass ich noch verlor, am Ende auch auf Stellung.
Der Ranglistenerste stellte die Weichen auf Turniersieg gegen den zweiten GM im Feld in der folgenden Runde, obwohl er eine frühe Gewinnchance ausließ:

turovmaxim-gutmanlev.jpg
Turov - Gutman

Statt der Partiefortsetzung 15.Lg4 hätte hier die sofortige Öffnung der Stellung mittels 15.ed ed 16.d5! für entscheidenden weißen Vorteil gesorgt. Der meist in sehr flottem Tempo spielende Russe ging allerdings an dieser Möglichkeit vorbei und musste so schließlich in einem Endspiel mit Mehrqualität gewinnen.
In den letzten zwei Runden lief Turov dann mit zwei Remisen locker aus, während ich mit ein wenig Losglück keine unlösbaren Aufgaben mehr vorgesetzt bekam. Vor der letzten Runde, mit fünf aus sechs, trimmte ich mich gegen einen Jugendbundesligaspieler aus Halle trotz der schwarzen Farben auf Gewinn, denn nur so war der zweite Platz garantiert:

heyderflorian-mullerfabian1.jpg
Heyder - Müller

Der erste kritische Augenblick der Partie. In der Partievorbereitung hatte ich bemerkt, dass mein Gegner gegen 2…d6 immer eine sehr zahme Nebenvariante spielte: 3.c3 Sf6 4.Ld3 nebst 5.Lc2, was Schwarz natürlich nicht vor allzu große Probleme stellt. Gegen mein sonst bevorzugtes 2…e6 spielte er eine ellenlange Theorievariante, an deren Ende es Schwarz nicht leicht hat, auf Gewinn zu spielen. Daher also meine Entscheidung, trotz ziemlicher eröffnungstheoretischer Ahnungslosigkeit 2…d6 zu riskieren - ein Bluff, wenn man so will …
3.d4
Scheiße, er will sehen! Mit unbewegter Miene machte ich meine nächsten Züge schnell, und es stellte sich heraus, dass meine eigene Ahnungslosigkeit von der meines Gegners ausgeglichen wurde …

heyderflorian-mullerfabian2.jpg
Nach 18.Dg7-h6

Weiß ist direkt in die Faust gelaufen. Dass 18…Sf6 mit den Doppeldrohungen …Txg2 und …Sg4 ging sah ich zwar, hielt aber 18…Tg6 für prosaischer. Nach 19.Dh4 Le7 20.De1 Tdg8 21.g3 Sxg3 22.Kf2 machte ich nochmal den prosaischen, wonach mein junger Gegner aufgab: 22…Sxf1 0-1. Das bedeutete den zweiten Platz, Geldpreis, und was noch wichtiger ist: Haufenweise Elopunkte. Nicht nur deswegen war es mal wieder sehr nett in Nordhausen. Besonders loben möchte ich an dieser Stelle die Arbeit des Organisationsteams um Marcus Königsmann. Marcus schaffte es jederzeit relaxt zu sein - auch in Stresssituationen, wenn andere womöglich schon unleidlich geworden wären.
Die komplette Rangliste sowie alle Partien der ersten 15 Bretter finden sich auf der Homepage des SC 51 Nordhausen.

Ein Kommentar to “Familienausflug nach Nordhausen”

  1. André Zeltwangeram 09 Aug 2009 um 18:58

    Fabian, Gratulation zum Erfolg in Nordhausen und weiter viel Erfolg auf dem Weg zur 2400-Grenze.

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